Der bisherige Stellvertreter ist der neue Landesvorsitzender der niedersächsischen AfD: Ansgar Schledde führt die Partei künftig an. Bei einem Landesparteitag am Samstag in der Südheide (Landkreis Celle) wurde der 46-Jährige mit knapp 80 Prozent der Stimmen gewählt. Er folgt damit auf Frank Rinck, der nach dem regulären Ende seiner zweijährigen Amtszeit nicht wieder antrat. Einen Gegenkandidaten für Schledde, der für zwei Jahre gewählt wurde, gab es nicht.
Bauunternehmer Schledde galt bereits in Rincks Amtszeit als gut vernetzter Strippenzieher der Partei. Als Gründe, warum Rinck nicht erneut antrat, verwies der Politiker selbst unter anderem auf sein Bundestagsmandat. Er habe vor zwei Jahren kandidiert als Landesvorsitzender, als der Landesverband etwa wegen der Finanzen und rückläufiger Mitgliederzahlen an einem schwierigen Stand gewesen sei, sagte Rinck.
Schledde ist der fünfte Vorsitzende in der Geschichte des Landesverbandes. Er sagte, der Landesverband habe sich gut entwickelt, interne Probleme seien gelöst worden. Das Ziel müsse Regierungsverantwortung sein. Er betonte, dass er nicht in den Bundestag einziehen will. Doch Schledde steht nicht allein wegen seines neuen Amtes besonders im Fokus.
Durchsuchungen bei AfD - Schledde beteuert Unschuld
Schledde hatte vor dem Landesparteitag angekündigt, dass er trotz der Durchsuchungen in Räumlichkeiten der AfD vor wenigen Tagen als Landesvorsitzender antreten will. Am Samstag beteuerte der AfD-Politiker: «Ich habe ein reines Gewissen, ich habe mir nichts zu Schulden kommen lassen.»
Unterlagen und Datenträger bei Durchsuchungen sichergestellt
Ein AfD-Landtagsabgeordneter hat möglicherweise mit Parteispenden auf einem privaten Konto gegen das Parteiengesetz verstoßen. Ermittler durchsuchten deshalb am vergangenen Mittwoch die Geschäftsräume des niedersächsischen Landesverbandes sowie eines Kreisverbandes der AfD in Hannover, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte. Dabei wurden Unterlagen und ein Datenträger sichergestellt, die nun ausgewertet werden müssen.
Laut Rinck werden die Vorwürfe gegen Schledde erhoben. Vor der Razzia hatte der niedersächsische Landtag die Immunität von zwei Abgeordneten aufgehoben und so den Weg für strafrechtliche Ermittlungen frei gemacht. Laut Schledde war er einer der beiden Parlamentarier, deren Immunität aufgehoben wurde. Nach Informationen von NDR, «Hannoverscher Allgemeine Zeitung» und «Neuer Presse» geht es um rund 48.000 Euro auf einem privaten Konto von Schledde.
AfD weist Vorwürfe zurück
Den Berichten zufolge sollen vor der Landtagswahl 2022 unter anderem der aktuelle Fraktionsvorsitzende Klaus Wichmann, der parlamentarische Geschäftsführer Jens Brockmann, die Abgeordneten Dennis Jahn und Harm Rykena sowie Schledde selbst auf das Konto eingezahlt haben. Die fünf Abgeordneten wiesen die Vorwürfe zurück. Richtig sei, dass auf einem privaten Konto private Zahlungen von verschiedenen Personen geleistet wurden. «Falsch ist, dass dieses Geld für Parteizwecke verwendet wurde.» Wie die fünf Abgeordneten um Schledde wies auch Rinck die Vorwürfe zurück.
Der neue Landesvorsitzende Schledde übte indes deutliche Kritik an der rot-grünen Landesregierung sowie der Ampel-Regierung auf Bundesebene. «Deutschland ächzt und stöhnt unter rot-grüner Verbotspolitik.» Weiter sagte Schledde: «Nur mit einer starken Opposition halten wir diese Geisterfahrer nicht auf. Wir wollen, ja wir müssen regieren. Nur dann können wir etwas verändern.»
Politologe: AfD in Niedersachsen moderater als andere Landesverbände
Der Politologe Alexander Hensel vom Institut für Demokratieforschung der Universität Göttingen schätzt die AfD in Niedersachsen als etwas moderater ein als andere Landesverbände der Partei. «Offen rechtsextreme Positionen oder Verbindungen gibt es auch hier, sie sind im Vergleich gerade zu den ostdeutschen Landesverbänden aber politisch und organisatorisch nicht so zentral», sagte Hensel der dpa kurz vor dem Landesparteitag.
Als Gastredner sprachen beim Parteitag der AfD-Bundesvorsitzende Tino Chrupalla sowie der Spitzenkandidat zur Europawahl, Maximilian Krah. Chrupalla lobte die geleistete Arbeit von Rinck: Er habe den Landesverband in schwierigen Zeiten übernommen, der zuvor durch Streitereien aufgefallen war. Krah bezeichnete den niedersächsischen Landesverband als «Flaggschiff» der AfD im Westen. Bei der Landtagswahl vor rund eineinhalb Jahren erhielt die AfD in Niedersachsen elf Prozent der Stimmen, in einer Umfrage von Anfang Februar kam die Partei auf mehr als 20 Prozent.
Die AfD wählte ihren kompletten Landesvorstand turnusmäßig neu, der erneut aus drei Stellvertretern besteht. Stephan Bothe und Delia Klages wurden als Vize wiedergewählt, Jens Brockmann übernahm den Vize-Posten von Schledde. Peer Lilienthal und Sonja Nilz bleiben als Schatzmeister und Generalsekretärin im Amt.
Zahlreiche Menschen protestieren gegen AfD
Am Rande des Parteitags gab es Protest. Nach Polizeiangaben versammelten sich am Samstag rund 2000 Demonstrierende in der Südheide. Die Organisatoren sprachen von 3000 Teilnehmenden. Nach Angaben einer Polizeisprecherin erteilte die Polizei zwischen 30 und 40 Platzverweise.
Zu den Protesten hatte beispielsweise der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) aufgerufen. Reden hielten unter anderem Caroline Mohrs vom Flüchtlingsrat Niedersachsen und Jens-Christian Wagner, Leiter der Gedenkstätte Buchenwald. In seiner Rede wies Wagner darauf hin, dass in der Nähe des Veranstaltungsorts zu Zeiten des Nationalsozialismus ein Außenlager des Konzentrationslagers Bergen-Belsen war. Die AfD versuche notorisch, die NS-Verbrechen zu leugnen und zu relativieren.
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