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Vornamen von deutschen Tatverdächtigen nicht nennen

Ein Schild hängt am Eingang des niedersächsischen Staatsgerichtshofes. / Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Ein Schild hängt am Eingang des niedersächsischen Staatsgerichtshofes. / Foto: Julian Stratenschulte/dpa

In einer Silvesternacht kam es zu Ausschreitungen. Ein AfD-Politiker wollte die Vornamen deutscher Tatverdächtiger wissen. Nun hat der niedersächsische Staatsgerichtshof eine Entscheidung gefällt.

Niedersachsens Landesregierung muss die Vornamen von deutschen Tatverdächtigen aus der Silvesternacht 2022/23 nicht nennen. Das entschied der niedersächsische Staatsgerichtshof in Bückeburg am Donnerstag. Ein AfD-Landtagsabgeordneter hatte zuvor geklagt, weil er die Namen unbedingt erfahren wollte. 

In der Silvesternacht 2022/23 war es zu Ausschreitungen in Niedersachsen gekommen, bei denen mehrere Einsatzkräfte angegriffen worden waren. Einige Landespolitiker hielten der AfD-Landtagsfraktion vor, ihre Frage nach den Vornamen zeige, wie rassistisch die Partei sei. 

AfD-Innenpolitiker Stephan Bothe wollte von der niedersächsischen Landesregierung per Anfrage die Vornamen der deutschen Tatverdächtigen erfahren. Die Landesregierung antwortete, die Vornamen von 19 deutschen Tatverdächtigen seien bislang nicht öffentlich bekannt. Zudem würden sie von der Regierung nicht in einer öffentlich zugänglichen Drucksache genannt, da so die schutzwürdigen Interessen Dritter verletzt würden. Bothe sah hingegen sein Recht auf Auskunft verletzt und reichte deswegen Klage ein. 

Staatsgerichtshof: Landesregierung hat Auskunftsrecht nicht verletzt

In der Urteilsbegründung hieß es vom Staatsgerichtshof, der Antrag sei unbegründet und die Landesregierung habe das Auskunftsrecht nicht verletzt. Es müsse zu befürchten sein, dass die schutzwürdigen Interessen Dritter verletzt würden. 

Die parlamentarische Bekanntgabe der Vornamen würde einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bedeuten und die staatliche Schutzpflicht für die körperliche Unversehrtheit missachten, hieß es weiter in der Urteilsbegründung. 

Stephan Manke (SPD), Staatssekretär im Innenministerium, zeigte sich erfreut über die Entscheidung, die die Rechtsauffassung der Landesregierung vollständig bestätige, sagte er in einer Mitteilung. 

Bothe bezeichnete das Urteil als enttäuschend. «Wir brauchen eine offene und ehrliche Debatte, was in Sachen Integration bei uns schiefläuft. Alle Fakten müssen auf den Tisch, und dazu gehört es auch, Tatverdächtige zumindest bei ihren Vornamen nennen zu können», meinte der AfD-Politiker. Er befürchte, dass mit der Entscheidung des Gerichts auch die Arbeit der Opposition erschwert werden könne. «Die Auskunftsrechte der Abgeordneten wurden hinten angestellt, die Schutzrechte der Tatverdächtigen besonders schwer gewichtet», kritisierte Bothe.

Der AfD-Politiker sagte in der Vergangenheit, dass die deutsche Staatsbürgerschaft nichts über den Migrationshintergrund aussage. Bei der mündlichen Verhandlung vor dem Staatsgerichtshof im März sagte Bothe, er wolle ein transparentes Lagebild haben. Darauf würde er seine politische Arbeit ausrichten. 

Tatverdächtigen aus Silvesternacht mehrheitlich deutsch

Wie aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage einer CDU-Landtagsabgeordneten im Februar vergangenen Jahres hervorging, wurden in der damaligen Silvesternacht 18 Einsatzkräfte durch Angriffe verletzt. Danach wurden 53 Strafverfahren eingeleitet. Dabei ging es unter anderem um tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte, Landfriedensbruch, Bedrohung und Beleidigung. Laut der damaligen Antwort wurden 35 Tatverdächtige erfasst, darunter 19 deutsche Verdächtige. Einige Verdächtige hatten neben der deutschen auch eine weitere Staatsangehörigkeit. 

In der rund 30 Minuten andauernden Urteilsbegründung verwies der Staatsgerichtshof zudem auf die verhältnismäßig geringe Anzahl der Tatverdächtigen. So bestehe eine sehr konkrete und erhebliche Gefahr der zutreffenden Identifikation zumindest einzelner der 19 Tatverdächtigen deutscher Nationalität. Auch eine Unterrichtung in vertraulicher Form wäre für die Betroffenen nicht zumutbar gewesen, hieß es weiter. Damit ist beispielsweise eine vertrauliche Unterrichtung in einem Ausschuss gemeint. 

Grüne-Fraktionsvorsitzende: AfD will rassistische Vorurteile schüren

Mehrere Landtagspolitiker warfen der AfD Rassismus vor. «Die AfD zielt mit ihrer Frage nach den Vornamen von Tatverdächtigen vor allem darauf ab, rassistische Vorurteile zu schüren», sagte Grünen-Fraktionsvorsitzende Anne Kura. Eine Antwort hätte keinen belastbaren Erkenntnisgewinn zur Silvesternacht gebracht. «Weil die AfD die Preisgabe der Vornamen ersichtlich deswegen begehrte, um die politische Debatte anzuheizen, kam auch eine vertrauliche Unterrichtung im Landtag nicht in Frage.»

SPD-Fraktionsvorsitzender Grant Hendrik Tonne (SPD) sagte: «Das Ziel der AfD-Fraktion ist völlig klar: Sie wollen triefenden Rassismus salonfähig machen.» Weiter sagte Tonne: «Bei uns werden Straftaten verfolgt und sanktioniert, Aussehen oder Vornamen spielen dabei keine Rolle.»

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