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Hunderte Personen ändern Geschlechtseintrag und Vornamen

In Niedersachsen wird die Beratung zum Thema Trans verstärkt nachgefragt.  / Foto: Julian Stratenschulte/dpa
In Niedersachsen wird die Beratung zum Thema Trans verstärkt nachgefragt. / Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Seit dem 1. November können Menschen unkompliziert beim Standesamt ihr bisher zugeschriebenes Geschlecht ändern. In Niedersachsen und Bremen ist die Nachfrage groß - aber auch der Beratungsbedarf.

Seit gut drei Monaten ist es kostengünstig und unkompliziert möglich, seinen Geschlechtseintrag und Vornamen beim Standesamt ändern zu lassen. Einige Hundert Menschen haben bislang im Nordwesten davon Gebrauch gemacht, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. Befragt wurden die zehn größten niedersächsischen Städte sowie das Land Bremen. 

Am 1. November 2024 trat das neue Selbstbestimmungsgesetz in Kraft, Anmeldungen müssen drei Monate im Voraus bei den Kommunen eingehen. Sie sind schon seit dem 1. August 2024 möglich. 

Drei Monate als Bedenkzeit

In Hannover meldeten sich bis Ende Januar 317 Personen an. Die drei Monate dienen auch als Bedenkzeit. Danach kann bei einem Termin im Standesamt die Änderung im Personenstandsregister vorgenommen werden. Zur Wahl stehen männlich, weiblich, divers oder der Verzicht auf einen Geschlechtseintrag. In Hannover wechselten bisher 121 Personen vom Eintrag männlich zu weiblich oder umgekehrt. 38 Mal wurde divers eingetragen, 22 Mal auf einen Geschlechtseintrag verzichtet. 

Als «Meilenstein» sieht Robin Ivy Osterkamp von der Landesfachstelle Trans* das neue Selbstbestimmungsgesetz. «Es ist sehr gut, dass die Änderung des Geschlechtseintrags und des Vornamens von der Einschätzung Dritter gelöst wird», sagt Osterkamp. Zuvor waren unter anderem zwei psychiatrische Gutachten und ein Gerichtsbeschluss notwendig.

Transsexuellengesetz war in Teilen verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht hatte mehrfach Vorschriften des früheren Transsexuellengesetzes für verfassungswidrig erklärt - so mussten die Betroffenen sich noch bis 2011 für eine Änderung des Geschlechtseintrags sterilisieren und geschlechtsangleichende Operationen vornehmen lassen. Dass eine Person sich nicht dem bei der Geburt zugeschriebenen Geschlecht zugehörig fühlt, gilt laut Weltgesundheitsorganisation nicht als Krankheit.

«Der Bedarf an Beratung zum Thema trans steigt jedes Jahr erheblich an. Es ist wichtig, dass wir auch im ländlichen Raum in Niedersachsen gute Beratungsangebote haben», betont Osterkamp.

Wird neues Gesetz nach Bundestagswahl abgeschafft?

Die Stadt Oldenburg zählte vor einer Woche 231 Vorgänge bezüglich des neuen Gesetzes. 92 Mal wurde ein neuer Geschlechtseintrag beurkundet. Die Nachfrage war laut einem Stadtsprecher anfangs besonders groß und sei dann etwas abgeebbt. Zuletzt seien wieder mehr Anmeldungen eingegangen - auch wegen der Ankündigung von Parteien im Bundestagswahlkampf. In der Kurzfassung des Wahlprogramms von CDU und CSU heißt es: «Wir schaffen das Selbstbestimmungsgesetz der Ampel wieder ab. Der Jugendschutz und 
das Erziehungsrecht der Eltern dürfen nicht untergraben werden.»

Robin Ivy Osterkamp sagt: «In der aktuellen politischen Situation gibt es viel Unsicherheit.» Viele Transpersonen fürchteten Diskriminierung - je nachdem, wie die Wahl ausgehen werde. Zum Argument Jugendschutz sagt Osterkamp: «Auch weil Transpersonen und andere queere Menschen auf Social Media eine große Reichweite haben, setzen sich junge Menschen heute anders mit ihrer Geschlechtlichkeit auseinander als früher.» Das Narrativ von der sozialen Ansteckung sei ein Mythos. «Keine Jugendliche sagt: "Hey, meine Freundin ist jetzt non-binär, dann bin ich das auch!"» Forschungsarbeiten belegten, dass Transpersonen in sehr jungem Alter wüssten, was mit ihnen los sei.

Jugendliche benötigen Einverständnis der Eltern

Aktuell dürfen Minderjährige unter 14 Jahren sich nicht selbst anmelden. Auf Wunsch des Kindes können dies die Eltern oder andere Sorgeberechtigte übernehmen. Jugendliche ab 14 Jahren dürfen den Antrag selbst stellen. Allerdings benötigen sie das Einverständnis der Eltern oder Sorgeberechtigten. Zudem müssen sie erklären, dass sie sich umfassend informiert haben. In den zehn größten niedersächsischen Städten meldeten sich mindestens 39 Kinder und Jugendliche für die Änderung des Geschlechtseintrags an. Hannover machte hierzu keine Angaben. 

Die Stadt Bremen verzeichnete bis Anfang Februar 337 Anmeldungen, in Bremerhaven waren es 44. Tatsächliche Änderungen gab es bisher 187 in Bremen und 26 in Bremerhaven. 

Beim Braunschweiger Standesamt sind es bisher 147 Anmeldungen und 77 Änderungen. Die Stadt Göttingen verzeichnet 132 Anmeldungen und 79 neue Einträge. In Hildesheim gingen 123 Anmeldungen ein. 65 Änderungen des Geschlechtseintrags wurden inzwischen vollzogen. In Osnabrück gab es 83 Anmeldungen sowie 59 tatsächliche Änderungen. 

In Wolfsburg sind es bislang 44 Anmeldungen und 30 Erklärungen. 58 Anmeldungen und 32 Beurkundungen sind es bisher in Lüneburg. 44 Anmeldungen und 30 neue Einträge verzeichnete Wolfsburg. Salzgitter zählte 30 Anmeldungen und insgesamt 40 Änderungen - knapp die Hälfte stammte von Personen, die sich an ihrem neuen Wohnort angemeldet hatten. In Delmenhorst gab es 26 Anmeldungen und 12 neue Einträge. (Stand 3.2.2025)

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