Niedersachsens Staatsgerichtshof befasst sich heute mit zwei Einsprüchen gegen die Landtagswahl 2022. Dabei geht es im Kern um die Gültigkeit der Wahl, aus der die SPD um Ministerpräsident Stephan Weil klar als Sieger hervorgegangen war. Entscheidungen des Gerichts werden aber erst in einigen Wochen erwartet. Der Landtag hatte beide Einsprüche vor rund einem Jahr einstimmig zurückgewiesen.
Im ersten Verfahren (ab 10.00 Uhr) verhandelt der Staatsgerichtshof den Antrag zweier FDP-Mitglieder. Der frühere Landtagsabgeordnete Marco Genthe und sein Parteifreund Alexander Grafe werfen der AfD Unregelmäßigkeiten bei der Aufstellung ihrer Landesliste vor und fordern deshalb eine Wiederholung der Wahl. Die FDP hatte den Verbleib im Landtag bei der Wahl am 9. Oktober 2022 knapp verpasst.
Die Antragsteller berufen sich auf einen früheren AfD-Landtagsabgeordneten, der in einem Interview gesagt hatte, AfD-Mitglieder hätten vor der Aufstellung der Landesliste vierstellige Beträge für einen aussichtsreichen Listenplatz gezahlt - und zwar auf ein Konto des damaligen stellvertretenden AfD-Landeschefs und heutigen Landesvorsitzenden Ansgar Schledde. Delegierte der Aufstellungsversammlung hätten wiederum von dieser sogenannten «Kriegskasse» Zahlungen erhalten.
AfD-Abgeordnete hatten Vorwürfe zurückgewiesen
Medienberichten zufolge sollen vor der Landtagswahl 2022 unter anderem der aktuelle Fraktionsvorsitzende Klaus Wichmann, der parlamentarische Geschäftsführer Jens Brockmann, die Abgeordneten Dennis Jahn und Harm Rykena sowie Schledde selbst auf das Konto eingezahlt haben. Die fünf Abgeordneten erklärten dazu im April, die gegen sie kolportierten Vorwürfe entbehrten jeder Grundlage. Richtig sei, dass es private Zahlungen gegeben habe, falsch sei aber, dass dieses Geld für Parteizwecke verwendet worden sei.
Mitte April war bekanntgeworden, dass die Staatsanwaltschaft Hannover wegen eines Anfangsverdachts gegen einen AfD-Abgeordneten ermittelt, der Spendengelder einerseits nicht unverzüglich weitergeleitet und andererseits Ausgaben, die er für die Partei getätigt habe, nicht im Rechenschaftsbericht der Partei aufgeführt haben könnte.
Einspruch auch gegen Einteilung der Wahlkreise
Die beiden FDP-Politiker sehen jedoch auch noch einen weiteren Fehler bei der Aufstellung der AfD-Liste, weil die Partei dazu eine Delegiertenversammlung durchgeführt habe. Diese Möglichkeit habe die Satzung der AfD Niedersachsen zu der Zeit jedoch gar nicht vorgesehen.
In dem zweiten Verfahren, mit dem sich der Staatsgerichtshof heute (ab 13.00 Uhr) befasst, wendet sich ein Antragsteller gegen den Zuschnitt der Wahlkreise, der nicht mehr den tatsächlichen Bevölkerungsverhältnissen entsprochen habe. Im östlichen Teil Niedersachsens seien die Einwohnerzahlen gesunken, wohingegen im Nordwesten des Landes deutlich mehr Menschen lebten als noch im Jahr 2000. Dem hätte mit einer deutlichen Veränderung der Wahlkreise Rechnung getragen werden müssen, argumentiert der Antragsteller.
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