Soziale Medien haben eine immense Bedeutung: 85 Prozent der 12- bis 19-Jährigen sind mehrmals täglich auf Tiktok, Instagram, Snapchat und Co. unterwegs. Mindestens einmal am Tag werden soziale Netzwerke sogar von 93 Prozent genutzt, wie eine repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag der KKH Kaufmännischen Krankenkasse ergab. «Insgesamt zeigt sich, dass fast alle Jugendlichen Social Media nutzen», sagte Franziska Klemm, Psychologin und Expertin für Medienkompetenz bei der KKH. Befragt wurden 1.004 Personen.
Bei der Nutzung von Instagram und Co. haben die Befragten eher eine passive Haltung: 79 Prozent schauen sich vor allem Texte, Fotos und Videos von anderen an, ohne sie zu kommentieren oder zu teilen. 38 Prozent reagieren täglich auf mindestens einen Beitrag, nur 15 Prozent veröffentlichen jeden Tag einen eigenen.
Jugendliche nutzen digitale Medien, um Spaß zu haben
Gut zwei Drittel der Befragten (67 Prozent) nutzen darüber hinaus soziale Netzwerke wie WhatsApp, um mit Freunden in Kontakt zu sein. Die meisten sind online, um Spaß zu haben und sich die Zeit zu vertreiben. «Es ist völlig legitim, dass man auch diese Geräte nutzt, weil sie Spaß machen», betonte Martin Korte, Hirnforscher an der Technischen Universität Braunschweig. Problematisch sei die Omnipräsenz des Smartphones. Wichtig für Eltern sei, mit ihren Kindern ins Gespräch darüber zu kommen, was sie online erleben. «Nicht erst, wenn es zu spät ist», sagte er.
Denn rund jeder fünfte Befragte gab an, digitale Angebote zu nutzen, um sich von Problemen abzulenken oder um nicht das Gefühl zu haben, etwas zu verpassen. Ebenfalls rund jeder fünfte machte bereits negative Erfahrungen mit Mobbing in sozialen Netzwerken. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch die aktuelle «Cyberlife»-Studie des Bündnisses gegen Cybermobbing in Kooperation mit der Barmer Krankenkasse, die vor zwei Tagen veröffentlicht wurde. Dadurch dass das Smartphone ständig im Alltag der Jugendlichen dabei sei, könne auch Mobbing omnipräsent sein, betonte Klemm. Das Thema beschränke sich nicht wie früher zum Beispiel nur auf die Pausenhofzeiten.
Nutzung hat Auswirkungen auf motorische und sprachliche Fähigkeiten
Die intensive Nutzung digitaler Medien wirke sich auch zunehmend auf die motorische und sprachliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen aus, unterstrich Klemm. Die KKH untersuchte dazu Daten von rund 190.000 ihrer Versicherten im Alter von 6 bis 18 in den Jahren 2013 und 2023. Im vorigen Jahr zeigten drei Prozent motorische Störungen (2013: 2,2). 8,6 Prozent erhielten eine Diagnose für eine Sprachentwicklungsstörung (2013: 5,6).
Dies lässt sich laut Hirnforscher Korte nicht nur auf die Nutzung digitaler Medien zurückführen, sondern auch auf die Lebensführung insgesamt. Die Mediennutzung spiele aber eine große Rolle. Ständiges Kommentieren und Chatten in kürzester Form wirke sich negativ auf die Sprach- und Lesekompetenz beziehungsweise auf die Entwicklung des Wortschatzes aus. Auch bei den 4- bis 12-Jährigen gebe es bereits besorgniserregende Entwicklungen.
Visuelle Intelligenz nimmt durch Konsum von Kurzformaten zu
Dennoch sei die Nutzung digitaler Medien nicht nur negativ, sagte Korte. Durch den Konsum von Kurzformaten wie Posts oder Reels nehme die visuelle Intelligenz zu, da die Nutzer innerhalb kürzester Zeit auf unterschiedliche Signale reagieren müssen. «Was hingegen abnimmt, ist das Auge für Details und die Fähigkeit, den Überblick zu behalten», betonte er.
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