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Niedersachsens rot-grüne Landesregierung plant umfassenden Abbau von Vorschriften

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil will Licht in das Dickicht aus Vorgaben bringen. (Archivbild) / Foto: Michael Matthey/dpa
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil will Licht in das Dickicht aus Vorgaben bringen. (Archivbild) / Foto: Michael Matthey/dpa

Die Vereinfachung von Vorschriften soll für eine neue Dynamik in Niedersachsen sorgen. Geplant sind dafür mehr als 100 Einzelregelungen - zum Beispiel für die Schulen.

Niedersachsens rot-grüne Landesregierung will mit einem umfassenden Abbau von Vorschriften neuen Schwung in das Land bringen. Ziel sei es, in allen Bereichen «einfacher, schneller und günstiger» zu werden, sagte Ministerpräsident Stephan Weil. Das soll auch mehr wirtschaftliches Wachstum ermöglichen.

Der SPD-Politiker sagte, derzeit gebe es einen gesellschaftlichen Konsens, der laute: «Mein Gott, sind wir kompliziert in Deutschland.» Dem wolle das Land über alle Ministerien hinweg entgegenwirken, indem es Schneisen in das Dickicht aus Vorgaben schlage - etwa für eine bessere Bildung oder den Ausbau der erneuerbaren Energien.

Sprachförderung an Schulen wird einfacher genehmigt

Dazu beitragen sollen mehr als 100 Einzelregelungen. Ein Beispiel: Für den Sprachförderunterricht müssen die Schulen keine umfangreichen Anträge und Konzepte mehr einreichen. Stattdessen orientiert sich das Land bei den Genehmigungen seit diesem Schuljahr am ohnehin erfassten Sprachstand der Kinder.

Geplant ist außerdem, dass Vergabeverfahren für Liefer- und Dienstleistungen erst ab 10.000 Euro nötig sein werden statt wie bisher ab 1.000 Euro. Auslöser für diese Änderung seien insbesondere Schwierigkeiten bei der Organisation von Klassenfahrten gewesen, hieß es.

In den vergangenen Monaten bereits umgesetzt hat Rot-Grün unter anderem eine Absenkung von Kita-Personalstandards. Diese soll dazu führen, dass die Kinderbetreuung trotz des Fachkräftemangels verlässlich stattfinden kann. Zudem wurde eine Vereinfachung von Bauvorschriften beschlossen, um die Flaute in der Bauindustrie zu beenden und das Bauen wieder günstiger zu machen. 

Lies: Besser eine Wohnung ohne Autostellplatz als gar keine Wohnung

Kritiker befürchten durch die Änderungen allerdings auch einen Qualitätsverlust. So können an den Kitas jetzt auch, wie von den Kommunen gefordert, fachfremde Eltern und Rentner als Vertretung aushelfen, und beim Bauen von Wohnhäusern entfielen die Pflichten, bei bestimmten Umbauten einen Fahrstuhl einzubauen oder bei Neubauten auch Autostellplätze zu errichten.

Die Regierung erklärt das pragmatisch nach dem Motto: besser schlicht als gar nicht. So sagte Bauminister Olaf Lies (SPD): «Was hilft mir eine nicht gebaute Wohnung mit nicht realisierten Stellplätzen im Vergleich zu einer realisierten Wohnung ohne Stellplatz?» Ähnlich war im Falle der Kitas argumentiert worden. So hatte der Präsident des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes, Marco Trips, im Mai gesagt, es sei besser, wenn ein Rentner den Kindern vorlese oder mit ihnen bastele, als wenn die Betreuung gar nicht stattfinde.

Ministerpräsident Weil räumte ein: «Es wäre falsch zu glauben, wenn wir jetzt einfacher werden, dass wir alle Ansprüche aus dem, was wir bis jetzt hatten, eins zu eins übertragen können.» Das gelte es in jedem Einzelfall abzuwägen. Viele Vorschriften kosteten heute aber so viel Energie und Zeit und Dynamik, dass sie kontraproduktiv seien.

Pauschale des Landes für Kita-Essen lief teils ins Leere

Kultusministerin Julia Willie Hamburg erinnerte derweil daran, dass sich aus einfacheren Verfahren auch eine Verschiebung der Verantwortlichkeiten ergeben könne - und verwies auf ein Beispiel aus dem Energiepreis-Rettungsschirm, den das Land Ende 2022 beschlossen hatte. Damals gab das Land den Kommunen insgesamt rund 100 Millionen Euro, um die Eltern von Schul- und Kita-Kindern von weiteren Preissteigerungen beim Mittagessen zu verschonen - und zwar, damit es schnell ging, in Form einer Pauschale ohne verbindlichen Verwendungszweck. Das Ergebnis: Einige Kommunen hoben die Essenskosten trotzdem an.

Hamburg sagte dazu jetzt, sie halte das vereinfachte Vorgehen dennoch nach wie vor für richtig. Der Fall zeige aber, dass diejenigen, die etwas einfacher haben wollen, das in sie gesetzte Vertrauen dann auch einlösen müssten, sagte die Grünen-Politikerin.

CDU fordert grundlegendere Reformen

Oppositionsführer Sebastian Lechner von der CDU forderte unterdessen grundlegendere Reformen von der Regierung. Es gebe bisher keine wirkliche digitale Schule, keine wirkliche digitale Kommunikation mit dem Staat und keine schnellen Entscheidungsmechanismen unter Einbindung von künstlicher Intelligenz oder Automatisierung, kritisierte Lechner. «Zusammen mit den Kommunen muss man eine neue digitale Verwaltung aufbauen. Nichts davon ist vorhanden oder passiert.» Was die Regierung vorgestellt habe, seien lediglich aufgewärmte Maßnahmen oder solche, die der Bund unternommen habe.

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