Nach der islamistischen Farbattacke auf den niedersächsischen Landtag beschäftigt sich die Landesregierung mit einer möglichen Ausweitung der Polizeipräsenz am Gebäude. Innenministerin Daniela Behrens (SPD) erklärte im Landtag, sie wolle dafür aber eine neue Gefährdungsbewertung durch das Landeskriminalamt abwarten. Diese solle Ende Oktober vorliegen. Die Opposition aus CDU und AfD dringt bereits jetzt auf einen erhöhten Polizeischutz.
«Polizeipräsenz auf Zuruf ist keine fachliche Debatte, sondern wir sollten die Fachkompetenz unserer Sicherheitsbehörden ernst nehmen und die Arbeit des LKA abwarten», sagte Behrens. «Bis dahin passiert ein ordentlicher Schutz.»
Innenministerin sieht Farbanschlag als Angriff auf die Demokratie
Die Schmierereien am sogenannten Leineschloss in Hannover, darunter die Parole «Free Gaza» und rote Dreiecke der islamistischen Hamas, waren Mitte September in der Nacht vor einem Tag der offenen Tür des Landtags aufgesprüht worden und konnten bis heute nicht vollständig entfernt werden. Bereits im vergangenen Jahr waren Aktivisten von Greenpeace auf das Dach des Landtags gelangt und hatten von dort Banner an der Fassade angebracht.
Ministerin Behrens bezeichnete den Farbanschlag als einen Angriff auf die Demokratie und einen Versuch, das Hohe Haus in seiner Arbeit einzuschüchtern. Die Behörden täten alles, um die Täter zu ermitteln. Sie sprach sich auch dafür aus, die Videoüberwachung außerhalb des Gebäudes zu verbessern.
CDU fordert «wirksame Zugangskontrollen»
Der CDU-Abgeordnete und Landtags-Vizepräsident Jens Nacke nannte das bestehende Sicherheitskonzept unzureichend. «Eine stündliche Bestreifung des Gebäudes hat zu seinem Schutz nicht ausgereicht. Eine dauerhafte Präsenz von Polizeikräften wäre geeignet und geboten, um die Angriffe zu verhindern oder zu erschweren und die Aufklärung dieser Straftaten zu ermöglichen», sagte er.
Der Landtag könne auch nur ein offenes Haus sein, wenn die Sicherheit der Menschen darin gewährleistet sei. «Wir möchten daher wirksame Zugangskontrollen, den Einsatz von moderner Videoüberwachung und ausreichend Personal, um die Anforderungen an die Sicherheitslage zu erfüllen.»
Diskussion über Rückkehr zur Bannmeile
Nacke warb zudem für die Wiedereinführung einer Bannmeile. «Ihre Abschaffung war ein Fehler», sagte der CDU-Politiker. Bis 2017 hatte es schon einmal eine Bannmeile am Landtag gegeben. Demonstrationen rund um das Leineschloss mussten damals vom Landtagspräsidenten genehmigt werden. Die damalige Landesregierung aus SPD und Grünen schaffte diese Regelung jedoch ab. Innenministerin Behrens sagte nun, eine Bannmeile sei Sache des Landtags.
Für den AfD-Abgeordneten Stephan Bothe haben die Greenpeace-Aktion und der Farbangriff gezeigt, dass der Landtag nicht sicher ist. «Wenn Klimaextremisten auf das Dach des Landtags kommen, dann kommen gewaltbereite Islamisten auch hinein», sagte Bothe. Dass es keinen durchgehenden Objektschutz durch die Polizei gebe, sei unverantwortlich.
Letzte Gefährdungsbewertung stammt von 2021
Volker Bajus von den Grünen warf der AfD dagegen vor, die Tat für Parteizwecke ausnutzen zu wollen. «Sie wollen keine Taten aufklären, kein Gebäude sichern, Sie wollen Angst und Unsicherheit verbreiten mit Ihrer Schwadroniererei von Gefährdungslagen», sagte Bajus. In der Sache verwies er auf Gespräche der Fraktionen mit Landtagspräsidentin Hanna Naber (SPD) über neue Sicherheitsmaßnahmen für den Landtag. Dazu zählten eine verbesserte Videotechnik, ein sichtbarerer Gebäudeschutz und Einlasskontrollen bei Veranstaltungen - jedoch «keineswegs Placebos wie eine wirkungslose Bannmeile».
Der Referatsleiter für Kriminalitätsbekämpfung im Innenministerium, Jens Kozik, hatte vergangene Woche im Innenausschuss erklärt, die letzte Gefährdungsbewertung für den Landtag sei 2021 vorgenommen worden. Für eine dauerhafte Polizeipräsenz habe es demnach bislang keine Notwendigkeit gegeben.
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