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«Du wurdest uns genommen» – Trauer um getöteten Lorenz

Ein Bündnis ruft am Freitag zu einer Kundgebung auf. / Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa
Ein Bündnis ruft am Freitag zu einer Kundgebung auf. / Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

Bei einem Polizeieinsatz in Oldenburg wird ein junger Mann erschossen. Ein Bündnis ruft zu einer Kundgebung auf - und stellt Forderungen.

Mindestens drei Schüsse treffen Lorenz, von hinten. Der 21-Jährige stirbt im Krankenhaus - auch Tage später wirft sein Tod viele Fragen auf. Warum zielte ein Polizist in der Oldenburger Fußgängerzone auf den jungen Mann? Wie kam Lorenz ums Leben? «Das ist schon ein massives Gesprächsthema», sagt ein Sprecher der Stadt Oldenburg. «Das bewegt viele Menschen.» 

Am Tatort erinnern unzählige Fotos, Blumen und Kerzen an den Getöteten. Passanten bleiben stehen, lesen letzte Botschaften an Lorenz und halten kurz inne. «Du bist einfach gegangen - du wurdest uns genommen. Durch Gewalt, die niemals hätte sein dürfen», steht auf einem Zettel an einer Hauswand. Mit einem QR-Code wird um Spenden für eine Gedenkfeier gebeten, mehr als 19.000 Euro sind schon zusammengekommen. 

Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Totschlags

Die Behörden sagen bisher nur wenig. «Wir brauchen immer noch die Zeugenvernehmungen», sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. «Wir müssen erst wissen, was da genau passiert ist.» Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Totschlags, der Schütze ist erst einmal vom Dienst suspendiert. Beides sei in einem solchen Fall üblich.

Der Anwalt von Lorenz' Mutter fordert, dass die Staatsanwaltschaft schnell alle Beweise sichert. «Kameras in der Straße müssen überprüft und Handys der Einsatzbeamtinnen und -Beamten ausgewertet werden. Es muss sichergestellt sein, dass der Funkverkehr vor, während und nach dem Einsatz komplett und umfassend dokumentiert wird», sagte Thomas Feltes der Deutschen Presse-Agentur. Die Ermittler müssten verhindern, dass Beweise wie Chatverläufe oder Handyaufnahmen gelöscht würden.

Polizist schießt mindestens viermal

Die Polizei schildert die Tat so: Am Ostersonntag wird Lorenz vor einem Club abgewiesen. Er soll Reizgas in die Richtung von zwei Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes gesprüht haben, mehrere Menschen werden leicht verletzt. Er flieht, einige folgen ihm. Sie lassen von ihm ab, als sie der 21-Jährige mit einem Messer bedroht haben soll. 

Einsatzkräfte sprechen den Mann nach eigenen Angaben an, wieder rennt er davon. Zwei Straßen weiter trifft er auf die Besetzung eines weiteren Streifenwagens. «Dort ging er bedrohlich auf die Polizisten zu und sprühte dabei Reizstoff in ihre Richtung», schildert die Polizei. Ein Beamter schießt mindestens viermal - von hinten auf Hüfte, Oberkörper und Kopf. Ein Schuss soll Lorenz am Oberschenkel gestreift haben.

Ermittler gehen nicht von Bedrohung mit Messer aus

Bestand für die Beamten oder für andere wirklich eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben? Nur dann dürfen sie sich mit Schüssen verteidigen. «Dazu habe ich keine Ermittlungsergebnisse», sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. «Wir gehen davon aus, dass in dieser konkreten Situation kein Messer zum Einsatz kam.» 

Anwalt Feltes zeigt sich zuversichtlich, dass die Staatsanwaltschaft transparent und umfassend ermittelt. «In den vergangenen Jahren sind sehr viele Fälle eingestellt worden, aber nach meiner Wahrnehmung hat sich das geändert», sagte der Jurist. Zuletzt seien mehrere Fälle von Polizeigewalt vor Gericht verhandelt worden. «Ich glaube, dass hier tatsächlich ein gewisses Umdenken in Deutschland stattgefunden hat.» Wenn es zu einer Anklage und einem Gerichtsverfahren kommen sollte, werde Lorenz Mutter als Nebenklägerin auftreten. 

Hatte die Tat einen rassistischen Hintergrund?

Die Schüsse auf den Schwarzen könnten einen rassistischen Hintergrund haben, befürchtet das Bündnis «Gerechtigkeit für Lorenz». «Der Fall muss ordentlich aufgearbeitet werden und Konsequenzen nach sich ziehen», heißt es auf Instagram. Das Bündnis ruft am Freitag (18.00 Uhr) zu einer Kundgebung auf, laut Stadt werden rund 1.000 Menschen erwartet. «Der Mord an Lorenz ist kein Einzelfall!» 

Das niedersächsische Innenministerium widerspricht. «Das ist nicht an der Tagesordnung», betonte ein Sprecher des Ministeriums. Im vergangenen Jahr verzeichnete die Polizei landesweit mehr als 1,5 Millionen Einsätze, in fünf Fällen hätten Beamte ihre Pistole gegen Menschen eingesetzt. «Wir sind uns ja alle einig, dass wir auch nicht wollen, dass die Polizei leichtfertig mit der Dienstwaffe umgeht, aber für Niedersachsen kann ich das auch sagen, dass sie das nicht tut.»

Gewerkschaft fordert eine Alternative zur Schusswaffe

Die Deutsche Polizeigewerkschaft fordert erneut Taser für den Streifendienst. Damit könnten solche Einsätze wie in Oldenburg anders ausgehen. «Der Taser, also eine Elektroschockpistole, kann natürlich auch tödlich wirken und löst nicht jede Situation», sagte Patrick Seegers, DPolG-Vorsitzender in Niedersachsen im Interview mit dem NDR. «Er wäre aber eine Möglichkeit, viele Situationen zumindest ohne schwerste Verletzungen oder einen tödlichen Ausgang zu lösen.» 

Das Innenministerium lehnt den Vorschlag ab. Der Einsatz der umstrittenen Geräte stehe auch nach den tödlichen Schüssen in Oldenburg nicht zur Debatte, sagte ein Behördensprecher.

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