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Gericht bestätigt Baustopp für Gasförderprojekt in Nordsee

Ein Plakat gegen die geplante Erdgasförderung steht im Sand. / Foto: Sina Schuldt/dpa/Archivbild
Ein Plakat gegen die geplante Erdgasförderung steht im Sand. / Foto: Sina Schuldt/dpa/Archivbild

Ein niederländisches Gericht hat Bauarbeiten für die geplante Erdgasförderung in der Nordsee vor den Inseln Borkum und Schiermonnikoog untersagt. Die von der Regierung in Den Haag erteilte Genehmigung sei unzureichend, entschied das Verwaltungsgericht in Den Haag am Donnerstag. Die Genehmigung zur Gasförderung ist von dem Urteil nicht betroffen, das Verbot bezieht sich nur auf die Errichtung einer Bohrplattform. Gegen die Baupläne hatten unter anderem die Deutsche Umwelthilfe (DUH), weitere Umweltorganisationen und die Stadt Borkum geklagt. Damit bestätigte das Gericht eine einstweilige Verfügung aus dem vergangenen Jahr.

Das beklagte niederländische Energieunternehmen One-Dyas teilte nach dem Urteil mit, das Vorhaben weiter voranzutreiben. Ein Konsortium um das Unternehmen plant, aus einem Feld vor den beiden Nordseeinseln Erdgas zu fördern. Dazu soll eine Förderplattform auf niederländischem Hoheitsgebiet rund 23 Kilometer nordwestlich der Insel Borkum errichtet werden. Gefördert werden soll den Plänen zufolge sowohl in niederländischen als auch in deutschen Hoheitsgebieten, nahe dem niedersächsischen Nationalpark Wattenmeer.

Gericht: Lizenz für Gasgewinnung ist rechtmäßig

Für die Bohrungen sind deshalb Genehmigungen beider Länder erforderlich. Das Wirtschaftsministerium in den Niederlanden hatte dafür bereits eine Lizenz erteilt. Auf deutscher Seite läuft noch ein Genehmigungsverfahren. Gegen die Genehmigung auf niederländischer Seite hatte das Bündnis um die Umwelthilfe im Juli 2022 Klage erhoben. Im April 2023 hatte das Gericht in Den Haag die Bauarbeiten auf niederländischer Seite zur Vorbereitung neuer Gasbohrungen vorläufig untersagt.

Die Lizenz zur Gasgewinnung ist dem Urteil zufolge rechtmäßig. Das zuständige Wirtschaftsministerium habe ausreichend begründet, dass die Gasförderung aus kleinen Feldern auf See angesichts der Energiewende und Energieversorgung notwendig sei. Das Gericht bemängelte aber, dass die möglichen schädlichen Folgen der Bauarbeiten für Natur und Tiere nicht ausreichend untersucht worden seien. Die geplanten Bauarbeiten könnten zu erhöhtem Stickstoff-Ausstoß führen - mit möglichen schädlichen Folgen für ein Naturschutzgebiet auf Schiermonnikoog. Auch seien die Folgen für Seehunde nicht ausreichend untersucht worden. Gegen das Urteil kann Berufung eingelegt werden.

Umwelthilfe: Urteil markiert «Wendepunkt» für Klimaschutz

Umweltschutzverbände und die Insel Borkum sprachen in einer gemeinsamen Mitteilung von einem «historischen Urteil». Die Entscheidung des Gerichts markiere einen «Wendepunkt im Kampf für Klimaschutz und den Erhalt unserer Natur», sagte der Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. «Sie ist ein klares Signal dafür, dass der Schutz des Unesco-Weltnaturerbes Wattenmeer und anderer sensibler Ökosysteme Vorrang hat vor kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen.»

Das Urteil sei demnach auch ein Zeichen, endgültig aus allen fossilen Energieträgern auszusteigen. «Damit das Realität wird, machen wir weiter Druck und leiten nun auch rechtliche Schritte gegen die Öl-Förderung auf der Förderplattform Mittelplate im Nationalpark Wattenmeer ein», teilte Müller-Kraenner weiter mit. Von der Bohrinsel Mittelplate in Schleswig-Holstein aus wird seit 1987 Öl in der Nordsee gefördert.

Auch Borkums Bürgermeister Jürgen Akkermann zeigte sich in der Mitteilung zufrieden. «Wir freuen uns, dass mit diesem starken Signal aus Den Haag eine wichtige Entscheidung für den Klima- und Umweltschutz, aber auch für den Küstenschutz der deutschen und niederländischen Inseln getroffen wurde.» Für die ostfriesischen Inseln, die ausschließlich vom Tourismus und der Gesundheitsvorsorge lebten, wären mögliche Erdbeben infolge einer Erdgasförderung, wie zuletzt an Land im Landkreis Diepholz in Niedersachsen, verheerend.

One-Dyas: Erste Erdgasförderung bis Ende 2024 möglich

One-Dyas teilte dagegen mit, das Gericht habe dem Unternehmen «in fast allen Punkten Recht» gegeben. Es gebe aber auch noch «Hausaufgaben», insbesondere in der Stickstofffrage. «Wir müssen das Urteil natürlich weiter prüfen», sagte One-Dyas-Chef Chris de Ruyter van Steveninck. «Wir freuen uns, dass das Gerichtsurteil in den allermeisten Umwelt- und Klimaaspekten positiv ausfällt.»

Das Unternehmen verwies darauf, dass die Produktionsplattform fast fertig für den Transport sei. Man sei bereit, die Arbeit in der Nordsee aufzunehmen, teilte de Ruyter van Steveninck weiter mit. «Ziel ist es nach wie vor, bis Ende 2024 das erste Erdgas zur Verfügung zu haben.» Nach einer mehrwöchigen Installationszeit werde es eine Plattform geben, die mit Offshore-Windenergie aus dem Windpark Riffgat betrieben werde.

Wiederholt Proteste von Umweltschützern und Insulanern

Umweltschützer und Insulaner hatten wiederholt gegen das umstrittene Erdgasförderprojekt demonstriert. Vor allem Greenpeace-Aktivisten hatten für Aufsehen gesorgt, als sie vergangenes Jahr das Dach des Landtags in Hannover besetzten, um gegen das Vorhaben zu protestieren. Die Kritiker befürchten, dass mit der Gasförderung der Lebensraum zahlreicher gefährdeter Arten wie Weichkorallen oder Hummern zerstört werden könnte. Insulaner sorgen zudem mögliche Erdbeben infolge der Gasförderung.

Niedersachsens Landespolitik hatte in der Frage einen Kurswechsel vollzogen: Nachdem die damalige Regierung aus SPD und CDU die Gasförderung vor Borkum 2021 strikt abgelehnt hatte, stimmte sie ein Jahr später vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs dafür.

Niedersachsens Umwelt- und Energieminister Christian Meyer sagte, eine Notwendigkeit der Förderung von Erdgas vor der niedersächsischen Küste liege aus Sicht seines Ministeriums und vor dem Hintergrund der niedersächsischen Klimaziele «grundsätzlich nicht mehr vor». Für das Wattenmeer sei die Entscheidung zu begrüßen. «Das niederländische Urteil ist nun genau zu prüfen. Klar ist aber: Sollte der Baustopp für die Plattform Bestand haben, kann es auch keine Förderung im deutschen Teil der Nordsee geben», sagte der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. In dem Genehmigungsverfahren gelte ein «Höchstmaß an Umwelt- und Naturschutz», sagte Meyer. Viele Fragen seien dabei noch offen.

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