Das Land Niedersachsen liegt beim Anteil alkoholabhängiger Menschen nach einer Untersuchung der Krankenkasse Barmer über dem bundesweiten Durchschnitt - trotz sinkender Tendenz. Zwar sei der Bevölkerungsanteil mit einer diagnostizierten Alkoholsucht im Land zwischen 2018 und 2023 leicht von 1,81 Prozent auf 1,76 Prozent gesunken, teilte die Krankenkasse zu einer Auswertung des Barmer-Instituts für Gesundheitssystemforschung mit. Aber bundesweit betrage der Durchschnitt nur 1,7 Prozent.
143.000 Menschen mit Alkoholsucht behandelt
2023 wurden in Niedersachsen über 143.000 Männer und Frauen mit Alkoholsucht ärztlich behandelt, wie die Krankenversicherung mitteilte. Darunter waren demnach etwa 100.600 alkoholabhängige Männer und rund 43.000 Frauen. Häufig sei die Sucht bei Menschen in der zweiten Lebenshälfte: Bei rund 30.000 Männern und 13.000 Frauen im Alter von 55 bis 64 Jahren sei in Niedersachsen eine Alkoholsucht diagnostiziert worden.
Die Zahlen wurden laut Kasse anhand der Versichertendaten der Barmer für die Gesamtbevölkerung hochgerechnet. Die Krankenkasse hat demnach in Niedersachsen rund 800.000 Versicherte.
Tatsächliche Zahl der Betroffenen könnte höher sein
Deutlich mehr Betroffene als in Niedersachsen gab es laut Barmer 2023 in Mecklenburg-Vorpommern (2,6 Prozent der Bevölkerung) und Sachsen (2,3 Prozent). Am geringsten war der Anteil in Baden-Württemberg (1,46 Prozent), Hessen (1,45 Prozent) und Rheinland-Pfalz (1,47 Prozent). Diese erheblichen regionalen Unterschiede ließen sich «nicht allein medizinisch erklären», sagte Heike Sander, die Landesgeschäftsführerin der Barmer in Niedersachsen. Auch soziale und demografische Aspekte spielten vermutlich eine wichtige Rolle.
«Mit unseren Daten können wir medizinische Behandlungen im Zusammenhang mit einer Alkoholerkrankung erfassen», sagte Sander. «Die tatsächliche Anzahl der Betroffenen könnte jedoch deutlich höher liegen.»
Suchtpotenzial und Risiken von Alkohol «von vielen unterschätzt»
Es sei an der Zeit, das Thema Alkoholsucht verstärkt in den Fokus der Gesundheitsvorsorge zu rücken und die gesellschaftliche Verharmlosung von Alkohol kritisch zu hinterfragen, mahnte Sander. Alkoholsucht sei eine zerstörerische Krankheit.
Sie betonte: «Sowohl das Suchtpotenzial als auch die gesundheitlichen Risiken von Alkohol werden von vielen unterschätzt.» Das habe auch damit zu tun, dass Alkoholkonsum in Deutschland weitgehend gesellschaftlich akzeptiert sei: «Dabei ist Alkohol ein Zellgift, das für die Entstehung von mehr als 200 Krankheiten mitverantwortlich sein kann.»
Deutlicher Rückgang bei Kindern und Jugendlichen
Unter Kindern und Jugendlichen sank die Zahl der Fälle von Rauschtrinken und Komasaufen: Nach einer kürzlich vorgelegten Studie der Kaufmännischen Krankenkasse KKH wurden 2023 bundesweit rund 7.650 Kinder und Jugendliche im Alter von 12 bis 18 Jahren wegen einer Alkoholvergiftung in einer Klinik behandelt - fast 28 Prozent weniger als 2022.
Auch hier wertete die Kasse Daten der eigenen 12 bis 18 Jahre alten Versicherten zur stationären Behandlung einer Alkoholvergiftung aus - und rechnete die Ergebnisse anhand von Zahlen des Statistischen Bundesamtes auf die bundesweite Bevölkerungszahl dieser Altersgruppe hoch. Damit wurde laut KKH bei den Fällen exzessiven, stationär behandelten Alkoholkonsums von Heranwachsenden der niedrigste Stand seit der ersten Erhebung von 2006 erreicht. Nur zwischen 2019 und dem ersten Corona-Jahr 2020 gab es mit gut 30 Prozent einen noch stärkeren Rückgang.
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