Von 2026 an haben Grundschüler der ersten Klasse einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung - in Niedersachsen gibt es allerdings Bedenken, ob sich dieses Ziel für alle Kinder rechtzeitig umsetzen lässt. So sagt der CDU-Bildungspolitiker Christian Fühner, er teile die Auffassung der Kommunen, dass der Anspruch angesichts einer unzureichenden Finanzierung nicht erfüllt werden könne.
«Es fehlen schon jetzt die Mittel, das Personal und die baulichen Rahmenbedingungen», sagte Fühner. Das Land müsse mehr Geld zur Verfügung stellen. «Die Kommunen haben noch nicht mal die Hälfte der Mittel bekommen, die sie benötigen.» Der CDU-Landtagsabgeordnete forderte zudem, verstärkt externe Partner in die Ganztagsangebote einzubeziehen, etwa Sportvereine, Kunsthallen oder Waldpädagogen.
Ministerium: Ganztagsschulsystem weit entwickelt
Nach Angaben des Kultusministeriums bieten derzeit knapp 1200 Grundschulen in Niedersachsen eine Ganztagsbetreuung für die erste Klasse an. Der Anteil sei damit seit 2019 von 64 auf 70 Prozent gewachsen. Die Zahl der Schulanfänger, die das Angebot wahrnehmen, sei im Zuge dessen ebenfalls auf rund 36 000 gestiegen. Allerdings nimmt damit nicht einmal jeder zweite Erstklässler am Ganztag teil (45 Prozent).
Dennoch könne Niedersachsen im Vergleich zu anderen Flächenländern bereits auf ein weit entwickeltes Ganztagsschulsystem verweisen, sagt eine Sprecherin von Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne). Gleichwohl sei die Umsetzung des Rechtsanspruchs mit großen Herausforderungen verbunden – «sowohl zeitlich als auch finanziell». Diese Dinge anzugehen sei immens wichtig, um Bildungsgerechtigkeit und Teilhabe zu steigern, aber auch um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern und dem Fachkräftemangel zu begegnen.
Allein für den Ganztagsbetrieb im Grundschulbereich stelle das Land daher jährlich rund 134 Millionen Euro bereit. Vom Schuljahr 2029/30 an würden sogar jährliche Kosten von 258 Millionen Euro erwartet - wegen des durch den Rechtsanspruch steigenden Personalbedarfs.
41 neue Ganztagsschulen genehmigt
Für das Schuljahr 2024/25 wurden 41 neue Ganztagsschulen genehmigt, darunter 32 Grundschulen sowie eine Grund- und Förderschule. Der Großteil davon entschied sich für die sogenannte offene Ganztagsschule. Das heißt, außerunterrichtliche Angebote finden dort nach dem Unterricht statt, und die Teilnahme daran ist freiwillig.
Zweifel gibt es aber nicht nur bei der politischen Konkurrenz im Landtag. Auch die Vorsitzende des Landeselternrats, Miriam Kaschel, ist unsicher, ob in zwei Jahren alle Erstklässler eine Ganztagsbetreuung erhalten können. «Es geht sehr schleppend vorwärts», sagte Kaschel. Ein Problem sei, dass die Vorbereitungen einst für Ganztagsschulen begonnen und mittlerweile auf eine Ganztagsbetreuung heruntergebrochen worden seien. Das im laufenden Prozess zu ändern, sei schwierig. «Es gibt einen riesengroßen Kuddelmuddel. Ich wüsste nicht, wie das bis 2026 für die Kinder flächendeckend gut gelöst werden soll.»
«Große Befürchtung, dass wir den Kindern nicht gerecht werden»
Die Ganztagsbetreuung heute sei häufig auch nicht das, was sich die Eltern oder Schulen wünschten. Immer wieder gebe es Unzufriedenheit mit den Mittagessen oder mit starren Abholzeiten. Dabei wäre ihre Idealvorstellung eine finanziell gut ausgestattete Ganztagsschule für alle, sagte die Elternvertreterin. «Das würde gut gegen die Bildungsungerechtigkeit wirken, weil dann auch Kinder in die Schule geholt würden, die es wirklich brauchen und zu Hause vielleicht niemanden haben, der ihnen bei den Hausaufgaben hilft.» Die Realität sehe an vielen Schulen bisher aber anders aus. «Ich habe die große Befürchtung, dass wir den Kindern nicht gerecht werden.»
Die Bildungsgewerkschaft GEW bezweifelt ebenfalls, dass die Erwartungen, die der Rechtsanspruch bei den Eltern schüre, flächendeckend erfüllt werden können. Durch die stark gestiegene Schülerzahl fehlten schon jetzt vielerorts Räumlichkeiten, und der Bau von Mensen sei noch nicht überall erfolgt, sagte der GEW-Landesvorsitzende Stefan Störmer.
«Vermutlich ist zunächst noch viel Improvisation notwendig, und kreative Lösungen sind gefragt, da vor allem die Infrastruktur aufgebaut werden muss», teilte die Gewerkschaft mit. Notlösungen wie einen Transport der Kinder nach Schulende in einen Hort oder eine andere Schule mit Ganztagsangebot lehne die GEW aus pädagogischen Gründen vehement ab.
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