Im Streit um die Amtsführung des Präsidenten der Universität Göttingen, Metin Tolan, hat eine Mehrheit des Senats der Hochschule für eine Abwahl gestimmt. Allerdings ist diese noch nicht wirksam. Die Abwahl müsste noch von dem Stiftungsausschuss der Universität bestätigt werden, teilte die Hochschule mit. Für den Fall, dass sich beide Gremien am Ende nicht einigen können, entscheidet der Senat allein abschließend über die Abwahl.
Gerüchte über eine Abwahl des Präsidenten hielten sich seit einigen Wochen. Laut einem Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, hatte Tolan den Rückhalt des Senats verloren. In dem von den stimmberechtigten Mitgliedern des Gremiums verfassten Papier von Ende August heißt es, es gebe eine tiefe Vertrauens- und Führungskrise sowie eine unklare Zukunftsstrategie. Eine Wiederwahl Tolans 2026 werde es nicht geben.
Hintergrund ist den Angaben zufolge unter anderem das Scheitern der Universität in der Exzellenzinitiative im Februar. Alle fünf Anträge der Uni für neue Förderungen als Exzellenzcluster waren abgelehnt worden. Die Uni Göttingen ist mit mehr als 26.000 Studierenden im vergangenen Sommersemester die größte Hochschule in Niedersachsen.
Tolan wies Vorwürfe zurück
Der Präsident hatte daraufhin am Montag über einen Newsletter eine Schlichtung angeboten. Er räumte eine Vertrauenskrise zwar ein, wies aber Vorwürfe eines schlechten Führungsstils oder mangelnder Kritikfähigkeit zurück.
Vor einigen Tagen veröffentliche die Uni dazu auch ein Video eines Vortrages, in dem Tolan im Juli seine bisherige Arbeit bilanzierte. Der Präsident wies dabei auf finanzielle Engpässe hin und forderte mehr Respekt in der internen Kommunikation.
In dem Newsletter bescheinigte der Präsident der Universität zudem Probleme mit ihrer akademischen Selbstverwaltung. In der Vergangenheit hatte es immer wieder öffentliche Auseinandersetzungen wegen Präsidenten und Vize-Präsidenten gegeben. Seit die Hochschule vor mehr als 21 Jahren zu einer Stiftungsuniversität wurde, seien die damit verbundenen Freiheiten «nicht zu ihrer eigenen positiven Entwicklung genutzt» worden, schrieb Tolan.
Prominente Fürsprecher
In einem weiteren Schreiben sprachen sich Professoren und Professorinnen verschiedener Fakultäten und Max-Planck-Institute vor einigen Tagen gegen eine Abwahl des Präsidenten aus. Die gegenwärtige Situation könne nicht durch kurzfristige personelle Veränderungen verbessert werden. Ähnlich äußerte sich Niedersachsens Wissenschaftsminister Falko Mohrs (SPD). In letzter Konsequenz schloss der Minister auch einen Präsidenten, den das Land am Senat vorbei ernennt, nicht aus.
Tolan kam von der Technischen Universität Dortmund
Tolan trat seine Stelle als Präsident der Universität Göttingen am 1. April 2021 an. Der Senat und der Stiftungsausschuss der Georg-August-Universität hatten sich damals jeweils einstimmig für Tolan entschieden. Die reguläre Amtszeit beträgt sechs Jahre. Zuvor war Tolan seit 2001 Professor an der Technischen Universität Dortmund und seit 2016 dort ständiger Vertreter der Rektorin.
Tolan folgte auf dem Posten in Göttingen nach einigen Querelen auf Reinhard Jahn, der das Amt bis Ende 2020 innehatte. Wegen der Corona-Pandemie wurde er damals bei einer Online-Gala in sein Amt eingeführt. Im Juni 2019 war eine Präsidentenwahl geplatzt, weil es Widerstand aus der Göttinger Professorenschaft gab. Zudem zogen zwei unterlegene Bewerber vor Gericht. In der Zwischenzeit hatte Valérie Schüller die Uni kommissarisch geleitet, die weiterhin Vizepräsidentin ist.
Ausgezeichneter Forscher
Der mehrfach ausgezeichnete Forscher verfasst neben Fachliteratur auch populärwissenschaftliche Sachbücher. Er studierte Physik und Mathematik in Kiel, wo er promovierte und habilitierte. Mehrere Jahre forschte Tolan in den USA. Kürzlich erhielt er den Kulturpreis der Eduard-Rhein-Stiftung für herausragende Kommunikationsleistungen in der Wissenschaft. Der jährlich verliehene, mit 10.000 Euro dotierte, Preis ging auch schon an Eckart von Hirschhausen und Antje Boetius.
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