Gewalt an Schulen ist laut einer Umfrage des Philologenverbands Niedersachsen weit verbreitet. 70 Prozent der 950 befragten Lehrkräfte, überwiegend von Gymnasien, gaben an, bereits Erfahrungen mit verbaler Gewalt an ihrer Schule gemacht zu haben. Etwa jede fünfte Lehrkraft (21 Prozent) sagte dasselbe über körperliche Gewalt. Ob die Lehrkräfte dabei selbst Opfer wurden oder Gewalt gegen andere erlebten, ließ die Fragestellung offen.
«Alarmierend ist, dass sich unsere Lehrkräfte vom Kultusministerium alleingelassen fühlen und der Dienstherr nicht als Hilfe bei den Gewalterfahrungen - insbesondere im digitalen Bereich - wahrgenommen wird», sagte der Landesvorsitzende des Philologenverbands, Christoph Rabbow. 87 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer bewerteten die Reaktionen des Ministeriums als unzureichend.
«Wir brauchen hoffentlich keine Security»
«Wir brauchen ein schlankes Konzept, was machen wir bei verschiedenen Formen von Gewalt», forderte Rabbow. Momentan regele jede Schule das für sich, und die bestehenden Erlasse bezögen sich ausschließlich auf den Schutz der Schülerinnen und Schüler.
Außerdem zeige die Umfrage, dass Gewalt an vielen Schulen ein Tabuthema sei. So gaben 40 Prozent der Lehrkräfte an, die Tat nicht bei der Schulleitung gemeldet zu haben.
Rabbow sagte, die Sicherheit an den Schulen müsse erhöht werden, allerdings ohne daraus einen Hochsicherheitstrakt zu machen. «Wir brauchen hoffentlich keine Security, keine Überwachung. Wir brauchen einen sicheren Ort.»
Alexander Zimbehl vom Niedersächsischen Beamtenbund sagte, wenn der öffentliche Dienst attraktiv bleiben solle, dann dürfe es nicht nur um die Bezahlung oder die Ausstattung von Schulen gehen, sondern auch um die Sicherheit am Arbeitsplatz. «Da haben wir mittlerweile ein deutliches Defizit», sagte Zimbehl.
Gewalttaten an Schulen häufiger als vor Corona
Nach Angaben des Landeskriminalamts hat die Polizei in Niedersachsen im vergangenen Jahr 5.053 Straftaten im Schulkontext registriert. Das waren 200 mehr als im Jahr zuvor. Die Fallzahlen lagen damit unter den Werten vor der Corona-Pandemie.
Sogenannte Rohheitsdelikte wie Körperverletzung und Raub nahmen jedoch zu auf 2.680 Fälle (2022: 2.161). Dieser Bereich der Kriminalität an Schulen lag dadurch auch über dem Niveau, das vor der Pandemie festgestellt worden war.
In den meisten Fällen waren die Verdächtigen im Schulkontext männlich (77 Prozent). Auch zwei Drittel der rund 3.000 Opfer waren männlich. Lehrerinnen und Lehrer wurden 149 Mal als Opfer erfasst, etwas häufiger als im Vorjahr. 87 Mal wurden sie Opfer von Körperverletzung.
CDU fordert bessere Vernetzung mit Polizei und Justiz
«Wir sollten prüfen, wie die Zusammenarbeit zwischen den Schulen, der Polizei und der Justiz neu organisiert werden kann», sagte der CDU-Innenpolitiker André Bock angesichts dieser Zahlen.
Das Kultusministerium betonte, Schulen seien kein isolierter Raum: Gewalt und Verrohung nähmen insgesamt zu in der Gesellschaft. Das Land nehme seinen Auftrag, Gewalt an den Schulen effektiv zu bekämpfen, aber sehr ernst. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte zum Anstieg der Kinder- und Jugendkriminalität insgesamt: «Das nehmen wir mit Sorge wahr.» Präventionsangebote zur Verhinderung von Gewalt gebe es zwar bereits, etwa in Zusammenarbeit von Schulen und Polizei, diese sollten aber weiter ausgebaut werden.
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