Eltern befürchten, dass auch nach den Sommerferien die Situation an den meisten niedersächsischen Schulen angespannt bleiben wird. An allen Schulformen gebe es Unterrichtsausfall, sagte Miriam Kaschel, die neue Vorsitzende des Landeselternrates, der Deutschen Presse-Agentur. «Am stärksten betroffen sind die Ober- und Grundschulen.» Weil Lehrkräfte fehlten, könnten auch Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf mancherorts nicht mehr unterstützt werden. Betroffen seien alle Schulformen. «Wir reden also davon, wie wir den Mangel an manchen Orten erträglicher gestalten können.»
Anfang dieses Jahres hatte Niedersachsens Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) gesagt, dass für eine Unterrichtsversorgung von 100 Prozent etwa 2000 zusätzliche Lehrkräfte notwendig seien. Der Wert lag zum Stichtag 31. August 2023 an den Gymnasien bei 99,6 Prozent und an den Förderschulen nur bei 91,6 Prozent. Neuere Zahlen zur Unterrichtsversorgung liegen nicht vor. Ausfälle durch Krankheiten oder Schwangerschaften sind in den Wert nicht eingerechnet.
Der Verband Niedersächsischer Lehrkräfte (VNL) befürchtet, dass zahlreiche vom Land ausgeschriebene Stellen für das neue Schuljahr nicht besetzt werden können. Besonders betroffen seien erneut die ländlichen Gebiete, teilte der Verband mit. Dort hätten bisher an manchen Orten nur die Hälfte der ausgeschriebenen Stellen besetzt werden können. Mangel gebe es in den Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Fremdsprachen und in musischen Fächern. Ob diese Lücken durch Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger gefüllt werden können, sei dahingestellt.
Das Kultusministerium in Hannover beschwichtigt: Aktuell seien 1144 von 1457 ausgeschriebenen Stellen bereits besetzt. Diese Quote entspreche den Werten der vergangenen Jahre zu diesem Zeitpunkt unmittelbar vor den Ferien. «Wir bewegen uns also im üblichen Rahmen», sagte ein Ministeriumssprecher. Die Einstellungen gehen ihm zufolge auch weiter, so dass das Ministerium von einer deutlich höheren Besetzungsquote bis zum Beginn des Schuljahres ausgeht.
Dennoch sagte die Elternratsvorsitzende Kaschel: «Wir Eltern blicken mit großer Sorge auf das neue Schuljahr.» Es gebe zunehmend Probleme an den Schulen. «Die gesamte Schülerschaft steht unter einem enormen Druck, denn die Jahre mit Corona haben Spuren hinterlassen.» Ihr machten nicht die Lernrückstände der Schülerinnen und Schüler, sondern vor allem die psychischen Belastungen vieler Kinder und Jugendlicher als Folge der Corona-Jahre große Sorgen.
Das Land müsse größere Anstrengungen unternehmen, um für Lehrkräfte Freiräume zu schaffen, sich auch um die Bindungen und das Miteinander der Schülerinnen und Schüler zu kümmern, sagte Kaschel. Viel zu häufig höre sie von Lehrerinnen und Lehrern den Satz: «Ich kann meiner Schülerschaft nicht mehr gerecht werden.» In den vergangenen Jahren seien sehr viele zusätzliche Aufgaben entstanden, etwa die Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf, die Berufsorientierung und die Digitalisierung. Notwendig seien attraktiver gestaltete Arbeitsplätze und verlässliche Arbeitszeitregelungen.
Miriam Kaschel (54) lebt in Lüneburg und hat drei Töchter, von denen zwei noch schulpflichtig sind. Sie wurde Anfang Juni zur Vorsitzenden des 17. Landeselternrats Niedersachsen gewählt. Ihre Amtszeit liegt bei drei Jahren. Das Gremium vertritt die Eltern aller Schulformen.
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