Im Mai wird eine der außergewöhnlichsten Bundesliga-Karrieren der vergangenen Jahre zu Ende gehen. Christian Groß von Werder Bremen kündigte am Montag an, nach dieser Saison zumindest als aktiver Fußballer aufzuhören.
Den heute 35-jährigen Defensivspieler verpflichteten die Bremer 2018 eigentlich nur für die zweite Mannschaft. Seine komplette Laufbahn hatte er zuvor beim VfL Osnabrück, den Sportfreunden Lotte, SV Babelsberg und Hamburger SV II in der dritten und vierten Liga verbracht. Doch weil bei Werder ein Jahr später zahlreiche Abwehrspieler verletzt waren, nahm Trainer Florian Kohfeldt den erfahrenen Groß kurzerhand mit ins Trainingslager der Profis. Und dort spielte er sich dann fest. Auf bislang 103 Erst- und Zweitliga-Spiele brachte es Groß bislang - und die alle nach seinem 30. Geburtstag.
«Natürlich bin ich stolz darauf, wenn ich auf meinen Werdegang schaue», sagte er. «Ich wurde kürzlich auf meine Zeit in Babelsberg angesprochen, die ich zum Beispiel aber auch nicht missen möchte. Es war zwar die 3. Liga und alles ein bisschen kleiner, hat mir aber viel gegeben. Deswegen bin ich froh, wie es gekommen ist.»
Auch Clemens Fritz meinte am Montag: «Grosso ist wohl das beste Beispiel dafür, dass die Wege im Fußball nicht immer gradlinig verlaufen.» Der Bremer Profifußball-Leiter steht als ehemaliger Nationalspieler eher für den klassischen Weg: Profidebüt mit 20 beim Karlsruher SC. Nächster Karriereschritt zwei Jahre später bei Bayer Leverkusen. Und mit 26 dann der Wechsel zum damaligen Champions-League-Club und Meisterschafts-Anwärter Werder Bremen.
Aber gerade deshalb hat Fritz vor Groß' Spätstarter-Karriere «größten Respekt», wie er sagt: «Von einem Ergänzungsspieler im Trainingslager zu einem gestandenen Bundesliga-Spieler, der in den letzten Jahren eine sehr wichtige Rolle in unserem Team auf und neben dem Platz eingenommen hat und im Sommer auch eine große Lücke in der Kabine hinterlassen wird. Ich war sehr beeindruckt von seiner Entwicklung, seit er den Sprung zu den Profis geschafft hat. An ihm sieht man, dass eine Entwicklung auch im gestandenen Fußballalter nicht aufhört.»
Groß' Stellenwert in Bremen ist mittlerweile so groß, dass er auch die Karriere nach der Karriere bei Werder fortsetzen soll. «Es ist ja kein Geheimnis, dass Grosso bei uns einen Anschlussvertrag hat. Wann und in welcher Form er bei uns weitermachen wird, werden wir in Ruhe besprechen», sagte Fritz.
Auch in seiner letzten Bundesliga-Saison stand Groß bislang schon in 13 von 24 Spielen auf dem Platz. Bei den beiden vergangenen Partien gegen Darmstadt 98 (1:1) und 1899 Hoffenheim am Sonntag (1:2) lief er sogar als Werder-Kapitän auf. Trotzdem sind die Bremer schon jetzt gut auf sein Karriereende vorbereitet: Erst im Januar verpflichteten sie mit dem Innenverteidiger Julian Malatini (22) und dem zentralen Mittelfeldmann Skelly Alvero (21) zwei junge Spieler für genau seine beiden Positionen.
Trotzdem: Der Abschied werde ihm «extrem schwer» fallen, sagte Groß. «Ich habe das ganze Leben Fußball gespielt - meine Familie kennt mich nicht anders.»
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