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Zäsur für 96 und DFL? Martin Kind ist abgesetzt

Ist nicht mehr Geschäftsführer von Hannover 96: Der Hörgeräte-Unternehmer Martin Kind. / Foto: dpa
Ist nicht mehr Geschäftsführer von Hannover 96: Der Hörgeräte-Unternehmer Martin Kind. / Foto: dpa

Martin Kind ist nicht mehr Geschäftsführer des Fußball-Zweitligisten Hannover 96. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied in Karlsruhe, dass die Absetzung eines der streitbarsten Funktionäre des deutschen Profifußballs vor zwei Jahren rechtens war und nun wirksam ist.

Abgesetzt hatte den 80 Jahre alten Hörakustik-Unternehmer die Führung des eigenen Muttervereins Hannover 96 e.V. Die Vereinsseite und Kind an der Spitze des ausgegliederten Profifußball-Bereichs liefern sich seit Jahren eine heftige Auseinandersetzung. Vor dem Landgericht Hannover und dem Oberlandesgericht Celle hatte sich Kind noch erfolgreich gegen seine Abberufung gewehrt. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist dagegen nach Aussage eines BGH-Sprechers «nicht mehr mit Rechtsmitteln anfechtbar».

Kind wechselt in den Aufsichtsrat

Kind selbst äußerte sich nicht persönlich zu dem Urteil. In einer Stellungnahme der Profifußball-Gesellschaft heißt es aber, dass er nun in deren Aufsichtsrat wechseln wird. Dort werde er mit dem neuen Geschäftsführer «konstruktiv für eine erfolgreiche Weiterentwicklung von Hannover 96 zusammenarbeiten».

Der Streit zwischen der Vereins- und der Kapitalseite in Hannover hat mehrere Ebenen. Indirekt betrifft er auch die Deutsche Fußball Liga, auch wenn die 50+1-Regel in keinem der Gerichtsverfahren verhandelt oder bewertet wurde.

Aber die e.V.-Führung ist in Hannover immer mit dem Ziel angetreten, die 50+1-Regel vor Kind zu schützen. Und mit Kind selbst wurde nun ein langjähriger Clubboss abgesetzt, der immer als Gegner und Gefahr für diese Regel angesehen wurde, die nur im deutschen Profifußball den Einfluss von externen Geldgebern begrenzen soll. Dass Kind bei dem gescheiterten Investoren-Einstieg der DFL mutmaßlich anders abgestimmt hat, als sein eigener Verein das vorgab, war einer der Auslöser für die massiven Fanproteste gegen diesen Deal.

«Kind gebührt Dank und Respekt» 

Noch größer ist der Einschnitt aber für Hannover 96. Kind wurde im September 1997 zum Präsidenten des damaligen Drittligisten gewählt. Im Dezember 1999 gliederte er den Profifußballbereich aus. Mit einer kurzen Unterbrechung von 2005 bis 2006 war Kind stets Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter dieses Bereichs. Seinen mehr als 50-prozentigen Anteil an der Profifußball-Gesellschaft hatte er aber schon vor dem BGH-Verfahren an seinen Sohn Matthias übertragen.

Selbst Kinds größter Gegenspieler Ralf Nestler sagte als Aufsichtsratschef des Hannover 96 e.V. jetzt: «Herrn Kind gebührt Dank und Respekt für die viele Arbeit und die vielen, vielen Jahre, die er für Hannover 96 geleistet hat. Wir fühlen uns bestätigt. Wir wären aber gerne einen anderen Weg gegangen. Nicht über zwei Jahre. Und ohne Prozess wäre uns am liebsten gewesen.»

Kern des Konflikts ist der sogenannte Hannover-96-Vertrag, der die Zusammenarbeit zwischen Vereins- und Kapitalseite regeln soll. Die 50+1-Regel schreibt zwar vor, dass die Muttervereine im Fall einer Ausgliederung des Profibereichs die Stimmenmehrheit in der Kapitalgesellschaft behalten müssen und ein Weisungsrecht gegenüber deren Geschäftsführern besitzen. Im 96-Vertrag steht aber, dass diese Geschäftsführer nur dann ernannt oder abberufen werden können, wenn beide gleichstarken Lager im vierköpfigen Aufsichtsrat dem zustimmen.

Konflikt um Hannover-96-Vertrag

Kind berief sich vor Gericht immer auf diese Satzung. Die e.V.-Führung setzte Kind dagegen unter dem Vorwurf ab, in mehr als 100 Fällen ihr Weisungsrecht missachtetet zu haben.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs in diesem komplizierten Sachverhalt erklärte der BGH-Sprecher Kai Hamdorf so: «Es ist zwar so, dass der Abberufungsbeschluss von der Alleingesellschafterin der GmbH gefasst wurde, obwohl laut der Satzung der Aufsichtsrat für solche Personalmaßnahmen zuständig ist. Ein solcher Satzungsverstoß macht den Beschluss aber nicht nichtig, er ist nur anfechtbar. Und anfechten konnte Herr Kind den Beschluss nicht, weil er nicht Gesellschafter der GmbH ist.»

Das Nebeneinander mehrerer Gesellschaften wurde in Hannover eingeführt, um der 50+1-Regel gerecht zu werden. Kind leitete und besaß mehrheitlich immer den Profibereich. Aber um den zu kontrollieren, wurde die Hannover 96 Management GmbH gegründet. In deren Aufsichtsrat gibt es den Patt zwischen Kapital- und Vereinsseite, Geschäftsführer war bis Dienstag Martin Kind. Aber sie gehört zu 100 Prozent dem Hannover 96 e.V.

Auf den ersten Blick ist die 50+1-Regel durch dieses BGH-Urteil in Hannover nun wieder gestärkt worden. Die Vereinsführung konnte sich von einem Kapitalgeber trennen, weil der ihre Weisungen nicht befolgt hat. Der Hannover-96-Vertrag bleibt aber bestehen. Und deshalb müssen zwei wichtige Fragen auch weiter geklärt werden:

Wie verhält sich die DFL in Zukunft zu den Strukturen bei Hannover 96, die im Kern ja weiter gegen den Geist von 50+1 verstoßen? Und wer wird dort Nachfolger von Kind als Geschäftsführer? Denn darauf haben sich Vereins- und Kapitalseite in den zwei Monaten zwischen BGH-Verhandlung und BGH-Urteil noch nicht einigen können.

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