Im Streit um die CO2-Ziele der EU stellt sich Bundesverkehrsminister Volker Wissing auf die Seite der Auto- und Nutzfahrzeugindustrie. «Europa verliert an Glaubwürdigkeit, weil es Ziele vorgibt, die es selbst nicht erreichen kann», sagte der FDP-Politiker in seiner Eröffnungsrede zur Nutzfahrzeug-Messe IAA Transportation in Hannover. Er unterstütze daher die Forderung der Branche, die Überprüfung der CO2-Ziele auf 2025 vorzuziehen.
Die Branchenvertreter im Saal quittierten das mit Applaus. «Ich bin durchaus der Meinung, dass Vorgaben nötig sind», betonte Wissing, «aber sie müssen in der Praxis auch tatsächlich umsetzbar sein. Alles andere schwächt die Industrie, ohne dass damit etwas für das Klima gewonnen wäre.»
E-Auto-Flaute belastet Branche
Hintergrund ist der Stufenplan der EU zur Senkung des CO2-Ausstoßes von Neufahrzeugen. Die Flottenziele, die die einzelnen Hersteller erreichen müssen, werden ab 2025 deutlich verschärft. Angesichts der schwachen Verkaufszahlen von Elektro-Modellen, die den Durchschnitt senken, fordert die Branche eine Streckung des Zeitplans.
Die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, hatte zuvor in ihrer Rede gefordert, die CO2-Vorgaben für 2025 zu überprüfen. «Die erforderlichen Rahmenbedingungen werden nicht mit der notwendigen Entschlossenheit angegangen», sagte sie. «Wir fordern die EU-Kommission daher auf, die für 2026 und 2027 geplanten Reviews jeweils ein Jahr vorzuziehen.» Nur dann gebe es Klarheit, wo nachgebessert werden müsse.
Greenpeace: Volksvertreter oder Verbrenner-Lobbyist?
Kritik aus der Ferne gab es dafür von Greenpeace: «Herr Wissing verwechselt erneut seine Rolle als gewählter Volksvertreter mit der eines Verbrenner-Lobbyisten», bemängelte die Verkehrsexpertin der Umweltorganisation, Marion Tiemann. Die Autohersteller könnten die europäischen Klimaziele erreichen, wenn sie «Abstand von spritschluckenden SUVs nehmen, ressourcensparende Modelle auf den Markt bringen oder schlicht die Preise für ihre Elektroautos senken».
Die VDA-Chefin dagegen kritisierte die schlechten Rahmenbedingungen für die Industrie. «Die Situation ist ernst: Der Standort Deutschland fällt international massiv zurück», machte die frühere Staatsministerin von Angela Merkel deutlich. «Eine schleichende Deindustrialisierung ist eine reale Gefahr.» Ohne ein entschlossenes Gegenlenken werde sie zur bitteren Realität. Vor allem bei Bürokratieabbau und Deregulierung müsse endlich etwas passieren. «Das Thema darf nicht weiter auf die lange Bank geschoben werden», so Müller. «Das Konzept der überbordenden Regulierung ist gescheitert.»
«Wir brauchen keine Zölle, sondern offene Märkte»
Unterstützung von Wissing erhielt Müller für ihre Ablehnung von Strafzöllen gegen E-Autos aus China. Sie halte Zölle für das falsche Mittel, und es sei ein Fehler «jetzt überstürzt im November» darüber zu entscheiden. «Wir müssen uns die Zeit für gute Verhandlungen nehmen.» Das sei ein guter Vorschlag, findet Wissing.
«Und am liebsten wäre es mir, wenn am Ende die Entscheidung über Zölle gar nicht vertagt werden würde, sondern dass man davon Abstand nimmt.» Denn einen Handelskrieg könne die Welt nicht gebrauchen. «Wir brauchen keine Zölle, sondern offene Märkte mit einheitlichen, fairen Wettbewerbsbedingungen.»
Technologische Innovationen und vor allem neue Antriebe sind die großen Themen auf der Messe, die noch bis Sonntag geht. Mehr als 1.650 Aussteller aus 41 Ländern zeigen ihre Neuheiten. Vor allem E-Laster und -Transporter dominieren das Bild.
Wissing will Heimatmarkt für Wasserstoff schaffen
Wissing warnte allerdings davor, nur auf Elektro zu setzen. «Ich bin überzeugt, dass wir in Zukunft am besten unterwegs sind, wenn wir uns mit einem Mix aus unterschiedlichen Antrieben bedienen können», unterstrich er. Auch Wasserstoff werde hier eine Rolle spielen. Es brauche einen «technologieoffenen Ansatz».
Bei seinem Messerundgang machte Wissing dann auch beim Zulieferer Bosch Station und ließ sich von dessen Chef Stefan Hartung eine Brennstoffzelle erklären. «Was wirklich wichtig ist, dass wir auch einen Heimatmarkt in Deutschland und Europa schaffen für diese Wasserstofftechnologie», sagte der Minister.
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