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Von Kokain-Bande bestochen? Staatsanwalt auf der Anklagebank

2022 präsentierten das Landeskriminalamt den Fund von 16 Kilogramm Kokain im Hamburger Hafen. (Archivbild) / Foto: Ole Spata/dpa
2022 präsentierten das Landeskriminalamt den Fund von 16 Kilogramm Kokain im Hamburger Hafen. (Archivbild) / Foto: Ole Spata/dpa

Er war Spezialist für Rauschgiftverfahren. Jetzt sitzt ausgerechnet ein Staatsanwalt in U-Haft, weil er Drogenbosse gegen Geld mit Informationen versorgt haben soll. Was bringt der Prozess?

Dutzende Drogenhändler und Rauschgiftkuriere brachte er hinter Gitter, seit Oktober sitzt ein 39-jähriger Staatsanwalt aus Hannover selbst in Untersuchungshaft. Der Jurist soll gegen Geld eine international agierende Kokain-Bande immer wieder mit Informationen versorgt und auch vor einer Razzia gewarnt haben. Führende Köpfe der Bande setzten sich vor der Polizeiaktion ins Ausland ab und sind bis heute nicht gefasst. 

Am Mittwoch (23. April) startet der Prozess gegen den Dezernenten der Abteilung Betäubungsmittel der Staatsanwaltschaft Hannover. Laut niedersächsischem Justizministerium bearbeitete er in der Drogen-Abteilung zwischen Mai 2019 und Mitte Februar 2024 insgesamt 247 Verfahren. 

Verschärfte Sicherheitsvorkehrungen im Prozess

Der Prozess beginnt im Landgericht Hannover unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen: Medienvertreter, Zuhörer und Prozessbeteiligte werden durchsucht, bevor sie den Saal betreten dürfen. Konkret werden dem 39-Jährigen 14 Fälle von besonders schwerer Bestechlichkeit sowie Verletzung des Dienstgeheimnisses und Strafvereitelung im Amt vorgeworfen. 

Mitangeklagt ist ein 41 Jahre alter Boxtrainer, der in zwölf Fällen als Mittelsmann fungiert und Informationen an die Kokain-Bande weitergegeben haben soll. Tatzeitraum war laut Anklage Juni 2020 und März 2021. Insgesamt soll der Jurist 65.000 Euro für seine Dienste erhalten haben. 

Mutmaßlich korrupter Jurist bestreitet Vorwürfe

Der inhaftierte Staatsanwalt bestreitet alle in der Anklage vorgeworfenen Taten. «Mein Mandant wird sich in der anstehenden Hauptverhandlung vollumfänglich einlassen», sagte der Rechtsanwalt des 39-Jährigen, Timo Rahn, der Deutschen Presse-Agentur. «Aus der Sicht der Verteidigung werden sich die erhobenen Vorwürfe bei der gebotenen objektiven Betrachtung aller vorliegenden Fakten und Beweismittel nicht bestätigen.» Es gilt die Unschuldsvermutung. 

Laut niedersächsischem Justizministerium gab die Entschlüsslung der Chats von Kriminellen über Drogengeschäfte den Ausschlag für die Verhaftung des mutmaßlich korrupten Beamten. In den Chats ist laut dpa-Informationen von einem «Cop» und einem «Coach» die Rede: Der «Cop» soll der Staatsanwalt sein, der «Coach» der Boxtrainer. 

Schon 2021 gab es Hinweise auf «Maulwurf» in Behörden

Im Februar 2021 waren 16 Tonnen Kokain im Hamburger Hafen entdeckt worden - ein Rekordfund. Wenig später organisierte das niedersächsische Landeskriminalamt eine bundesweite Razzia, jedoch war eine Vielzahl der Beschuldigten verschwunden. Ein Hauptverdächtiger setzte sich nach Dubai ab. Schon damals gab es dem Justizministerium in Hannover zufolge Hinweise auf einen «Maulwurf», also Informanten, in den Behörden. 

Die oppositionelle CDU bezeichnete den Fall bereits als «Justizskandal» und will wissen, warum ein erstes Verfahren gegen den verdächtigen Staatsanwalt eingestellt wurde. Der Verdacht war auch Thema in der Hauptverhandlung gegen den Spediteur der Kokain-Bande Anfang 2023. Schon im Oktober 2022 hatte dieser inzwischen verurteilte Mann in einer polizeilichen Vernehmung von dem mutmaßlichen Informanten berichtet und auf belastende Chats verwiesen.

Ende 2022 wurden die Wohnung und die Diensträume des verdächtigen Juristen von der Staatsanwaltschaft Hannover durchsucht, das Verfahren gegen ihn wurde aber im Oktober 2023 vorerst eingestellt und erst im Juni 2024 wieder aufgenommen. 

Oppositionelle CDU macht Druck auf Justizministerin

Die CDU macht in dem Fall Druck auf Niedersachsens Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD). Die Ministerin habe die Sache zwei Jahre laufenlassen und sich nicht gekümmert, sagen Unions-Politiker. Wahlmann weist diesen Vorwurf zurück. 

Lange ermittelte die Staatsanwaltschaft Hannover gegen den eigenen Kollegen. Erst Ende 2024 übernahm die Staatsanwaltschaft Osnabrück das Verfahren. Justizministerin Wahlmann veranlasste, dass künftig immer eine andere Staatsanwaltschaft derartige Ermittlungen übernimmt. 

Versetzung wegen Verurteilung von Angehörigem

Ein Angehöriger des angeklagten 39-Jährigen erhielt 2021 wegen Drogendelikten eine Haftstrafe. Der Staatsanwalt wurde aber erst im Februar 2024 von der Drogen-Abteilung in die Abteilung Kapitaldelikte versetzt - laut Ministerium auch aus Fürsorgegründen und um den Anschein eines Interessenkonflikts zu vermeiden. 

Obwohl ab Juni 2024 erneut gegen ihn ermittelt wurde, durfte der Staatsanwalt in dem Verfahrenskomplex «Adios», in dem es um die 16 Tonnen Kokain ging, noch eine Anklage verfassen und im Sommer 2024 als Sitzungsvertreter in dem Prozess auftreten. Am Mittwoch wird der Jurist eine Verhandlung erstmals von der anderen Seite aus erleben, nämlich auf der Anklagebank.

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