Bei einem möglichen neuen Abschiebeflug nach Afghanistan könnten auch wieder Straftäter aus Niedersachsen an Bord sein. «Wir bereiten uns jederzeit darauf vor, dass ein Flug stattfinden könnte», sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Hannover. Konkrete Hinweise auf einen bevorstehenden Flug lägen aber nicht vor. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte nach der Gewalttat in München bekräftigt, dass es weitere Abschiebungen nach Afghanistan geben solle.
In Niedersachsen kommt dem Ministerium zufolge eine zweistellige Zahl von Personen dafür infrage. «Es geht dabei um schwere Straftäter nach wie vor.»
Das Land entscheide aber nicht, wer tatsächlich ausgeflogen wird. «Wir liefern Daten zu von Menschen, die aus unserer Sicht infrage kämen. Die Prüfung obliegt dann dem Bundesinnenministerium», sagte der Sprecher. «Wir tun das, was wir auf unserer Seite tun können, und sind vorbereitet.» Im großen Stil nach Afghanistan abzuschieben, sei wegen der dort herrschenden Taliban nicht möglich, sagte der Sprecher von Ministerin Daniela Behrens (SPD).
Fünf Afghanen aus Niedersachsen bei Abschiebung 2024
Ende August waren erstmals seit der Machtübernahme der Taliban wieder 28 Menschen von Deutschland nach Afghanistan abgeschoben worden. Darunter waren fünf Männer zwischen Mitte 20 und Mitte 30 aus Niedersachsen. Zu den von ihnen begangenen Taten zählten Totschlag, Vergewaltigung, gefährliche Körperverletzung, Misshandlung von Schutzbefohlenen, Betrug und Diebstahl.
Einige Wochen zuvor, Mitte Juni 2024, waren in Niedersachsen insgesamt 41 vollziehbar ausreisepflichtige Afghanen als Mehrfach- und Intensivtäter oder schwere Straftäter eingestuft worden. Eine aktuelle Zahl nannte das Innenministerium auf Nachfrage nicht.
Ministerin zur Sicherheitslage: Polizei tut alles, was sie kann
Die Tat von München, wo laut Polizei ein 24-jähriger Asylbewerber aus Afghanistan in das Ende eines Demozugs gefahren ist und 36 Menschen verletzt hat, beschäftigt derweil auch die Sicherheitsbehörden in Niedersachsen.
«Natürlich justieren wir jetzt auch nochmal nach», sagte Innenministerin Behrens am Donnerstagabend dem NDR-Fernsehen. Versammlungen seien wichtig in einer Demokratie und alle, die demonstrieren möchten, sollten das mit großer Sicherheit tun können. «Dafür tut die Polizei alles, was sie kann.»
Allerdings hätten schon der Angriff Russlands auf die Ukraine Anfang 2022 und der Konflikt im Nahen Osten zu einer höheren Gefährdung geführt. «Wir gehen seit drei Jahren von einer abstrakt hohen Gefährdungslage in Niedersachsen aus», sagte Behrens. «Daher ist die Polizei hochsensibilisiert.» In den vergangenen Monaten habe es auf Weihnachtsmärkten und Volksfesten bereits eine erhöhte Präsenz gegeben.
Behrens will sich «nicht einschüchtern lassen»
Auch für konsequentere Abschiebungen von Straftätern setzte sich die Ministerin ein. «Natürlich müssen wir uns darum kümmern, dass Straftäter und Gefährder besser ausgeführt und zurückgeführt werden in ihre Heimat.»
Die SPD-Politikerin warnte jedoch zugleich davor, den mutmaßlich islamistisch motivierten Anschlag zu instrumentalisieren. «Ich finde, solche Fälle sollten nicht dazu benutzt werden, Ressentiments gegen Menschen zu schüren, auch nicht gegen Geflüchtete, denn die große, große Mehrheit der Geflüchteten lebt hier friedlich und hält sich an die Regeln», sagte sie.
Eine freie Gesellschaft müsse zudem weiter von der Freiheit leben. «Wir dürfen uns davon nicht einschüchtern lassen, uns nicht zurückziehen aus dem öffentlichen Raum, sondern so leben, wie wir es für richtig halten», betonte Behrens. Die Polizei werde alles dafür tun, damit das auch sicher möglich ist.
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