Mit einer Gesetzesänderung sollen Hochschulleitungen in Niedersachsen mehr Handlungsklarheit bekommen, falls es dort zu Antisemitismus kommen sollte. «Hochschulen sind auch Orte des Diskurses, das müssen sie auch sein. Sie sind aber kein Ort, an dem wir Gewalt, Diskriminierung und Antisemitismus dulden», sagte Wissenschaftsminister Falko Mohrs der Deutschen Presse-Agentur in Hannover. Hochschulleitungen sollten in solchen Fällen agieren und exmatrikulieren können, wo es geboten sei.
«Wir müssen uns klarmachen, dass das ein sehr starker Eingriff in die Rechte der Betroffenen ist. Die freie Berufswahl ist vom Grundgesetz garantiert. Da müssen wir sehr sensibel vorgehen», betonte der Minister. «Es ist aber auch klar, wer gewalttätig vorgeht und andere diskriminiert oder dauerhaft an der Teilnahme des Studiums stört oder hindert, für den ist kein Platz an Hochschulen in Niedersachsen», sagte der SPD-Politiker.
Er rechne allerdings nicht damit, dass es an niedersächsischen Hochschulen viele solcher Entscheidungen geben werde. Wo es im Einzelfall notwendig sei, sollten diese aber getroffen werden können, betonte der Minister.
Minister Mohrs: Müssen nachschärfen bei Gesetz
Im Landeshochschulgesetz sind laut Wissenschaftsministerium die Voraussetzungen und Rechtsgrundlagen festgelegt, unten denen ein Student exmatrikuliert werden darf. Körperverletzungsdelikte erfüllen demnach zunächst einmal das erste Kriterium für eine Exmatrikulation. Die Hochschulleitung ist bei ihrer Entscheidung außerdem daran gebunden, dass eine rechtskräftige Verurteilung vorliegt.
Wie Mohrs sagte, laufen zu der Gesetzesänderungen derzeit die Absprachen mit den Regierungsfraktionen. «Wir müssen hier nachschärfen», forderte der Minister. Es liege derzeit ein Vorschlag von ihm vor, den zunächst die regierungstragenden Fraktionen bewerten.
Auch bei den Änderungen, die derzeit diskutiert würden, hätte es vermutlich in Niedersachsen keinen Fall einer Exmatrikulation gegeben, betonte Mohrs. «Es ist nicht so, dass wir derzeit einen Fall vor Augen haben in Niedersachsen. Weil aber klar ist, dass so etwas passieren kann, müssen wir vorbereitet sein.»
Antisemitismus laut Minister unterschiedlich intensives Thema an Hochschulen
Antisemitismus sei überall in der Gesellschaft ein Problem, nicht erst seit dem Terrorüberfall der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres, sagte der Minister. «Seit Oktober ist es eine polarisierte Stimmungslage. Von daher ist es auch ein Thema an Hochschulen in Niedersachsen, aber unterschiedlich intensiv. Wir haben nach unseren Erkenntnissen bislang keine gewalttätigen Vorfälle gehabt. Es gab zum Beispiel Flyer, die verteilt worden, außerdem gab es verschiedentlich Diskussionen.»
Die Vorsitzende der Landeshochschulkonferenz (LHK), Susanne Menzel-Riedl, sagte: «Die Bekämpfung des Antisemitismus ist und bleibt eine Daueraufgabe für Hochschulleitungen, für alle Hochschulangehörige und die Gesellschaft als Ganzes.» Hochschulen seien Orte des Austauschs.
Die Sprecherin des Studierendenausschusses der Universität Lüneburg, Josephine Kiecol, sagte auf Anfrage: «Wir haben gemerkt, dass die Studierenden in Diskussionen rund um den Angriff der Hamas vom 07. Oktober und die Reaktionen der israelischen Regierung mit verschiedenen Definitionen arbeiten.» Es sei deutlich geworden, dass nicht alle auf dem gleichen Informationsstand zu Antisemitismus waren und dass dort Handlungsbedarf sei, um einen diskriminierungssensiblen Austausch zu fördern.
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