Für die Arbeitssicherheit und eine schnelle Rettung im Notfall von Windparks auf hoher See sind aus Sicht von Gewerkschaften und Betriebsräten einheitliche und bessere Regelungen in der Offshore-Branche nötig. Die Gewerkschaft IG Metall hat dafür zusammen mit Betriebsräten ein Positionspapier entwickelt, das am Freitag der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Darin schlagen die Initiatoren unter anderem einheitliche Standards für den Personaleinsatz bei Wartungen auf Windturbinen, für die Kommunikationsinfrastruktur in Windparks und für eine bessere Rettungskette vor.
Viele Abläufe etwa bei der Wartung von Anlagen können Windparkbetreiber laut Gewerkschaft und Betriebsräten individuell regeln - Standards würden daher mitunter von Windpark zu Windpark variieren. «Es ist nicht so, dass alles schlecht ist, sondern wir haben auch schon gute Regelungen», sagte Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste.
Durch den geplanten Ausbau der Windkraft auf See würden in den kommenden Jahren aber nicht nur deutlich mehr Menschen in der Offshore-Branche beschäftigt sein, gerade Servicetechniker würden auch viel weiter draußen auf See arbeiten, wo die neuen Windparks entstünden. Daher brauche es bessere Standards für sichere Arbeitsplätze und eine schnelle Rettung im Notfall, sagte Friedrich. Er betonte auch: Eine Standardisierung dürfe nicht dazu führen, dass bisher gute Regelungen herabgesetzt würden.
Mehr Windparks, höherer Personalbedarf
Um die Klimaziele zu erreichen, will die Ampelregierung die installierte Leistung der Offshore-Windenergie deutlich steigern - zunächst auf 30 Gigawatt bis 2030 und später auf 70 Gigawatt bis 2045. Zurzeit stehen 1564 Windräder mit einer Gesamtleistung von 8,4 Gigawatt vor den Küsten von Nord- und Ostsee. Im Bau befinden sich nach Angaben des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie vom März zurzeit vier Windparks mit einer Leistung von 2,54 Gigawatt.
Mit dem Ausbau wird sich absehbar auch die Zahl der Beschäftigten deutlich erhöhen. Die IG Metall schätzt, dass bis 2045 rund 55.000 Menschen in der Offshore-Industrie arbeiten werden - zurzeit sind es rund 30.000, allein rund 1500 arbeiten als Servicetechniker und Servicetechnikerinnen auf den Windturbinen auf See.
Windparks weit draußen auf der Nordsee geplant
Für Notfälle sollen kündigt mindestens zwei bis drei spezielle Rettungshubschrauber, sogenannte HEMS-Helikopter, einsatzbereit sein, heißt es in dem Positionspapier. Bislang ist so ein Hubschrauber in Sankt Peter-Ording stationiert. «Wir müssen uns auch die Standorte genau angucken, weil es sein kann, dass wir unterschiedliche Wetterlagen haben», sagte Timo Röpkes, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender beim Windparkbetreiber Ørsted im ostfriesischen Norden (Landkreis Aurich). Denn wenn ein Helikopter infolge schlechter Wetterbedingungen etwa in Schleswig-Holstein nicht starten könne, könne dies aber beispielsweise in Norden-Norddeich möglich sein.
Da viele neue Windparks in den kommenden Jahren weiter von der Küste entfernt, nämlich bis zu 350 Kilometer weit draußen in der Deutschen Bucht entstehen sollen, braucht es laut der Gewerkschaft dort zudem ein weiteres Rettungskonzept. Denn die Hubschrauber, die an der Küste stationiert sind, können diese Windparks nicht mehr erreichen. «Wenn dann die Windparks viel weiter draußen sind, dann braucht es technische Lösungen, entweder ein Offshore-Schiff oder eine Offshore-Plattform», sagte Heiko Messerschmidt, IG Metall-Branchenbetreuer Windindustrie. Eine solche Rettungskette müsse der Staat zusammen mit der Windkraftindustrie organisieren.
Vorgaben zu Personaleinsatz und Mobilfunk gefordert
Ein einheitlicher Standard fehlt laut der Gewerkschaft auch bei der personellen Besetzung auf den Windturbinen. Bislang würden mindestens zwei Techniker gleichzeitig auf einer Windkraftanlage arbeiten. Aus Sicht der Arbeitnehmer zu wenig. «Wenn da ein Notfall entsteht: Ein Kollege hat einen Herzinfarkt und ich müsste mit den Wiederbelebungsmaßnahmen anfangen, wer informiert dann den Rettungsdienst?», fragte Henrik Köller, Gewerkschaftssekretär der IG Metall Emden. Betriebsräte und Gewerkschaft fordern deshalb, dass mindestens immer drei Personen zur gleichen Zeit auf einer Anlage arbeiten.
Handlungsbedarf besteht nach Angaben von Betriebsräten auch bei Kommunikationswegen. Mobilfunkverbindungen fehlen in vielen Windparks demnach noch. Meist seien die Anlagen mit Festnetzanschlüssen ausgestattet. «Wenn die Kommunikation ausfällt, brauchen wir immer mindestens einen zweiten Weg. Sonst sind wir völlig abgeschnitten», sagte Timo Röpkes. Neben dem herkömmlichen Funkverkehr brauche es daher einen einheitlichen Mobilfunkausbau auf See, auch um etwa Telemedizin im Notfall zu ermöglichen.
Gespräche mit Unternehmen und Aufsichtsbehörden
Zu vielen Punkten gibt es laut der IG Metall bereits Gespräche mit Unternehmen, Aufsichtsbehörden und Ministerien. Auch Organisationen der Offshore-Windbranche hatten in einem im vergangenen Herbst veröffentlichten Papier zu industriepolitischen Handlungsempfehlungen bereits den Bund aufgefordert, etwa Zuständigkeiten bei der Organisation eines Rettungssystems in Windparks weit draußen auf den Meeren zu klären. Die IG Metall fordert auch, Beschäftige, die auf See arbeiten, bei dem Aufstellen von Arbeitssicherheitskonzepten stärker zu beteiligen.
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